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Verstaatlichung auf leisen Sohlen ?

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Auch nach dem steirischen Ärztestreik (FURCHE, 28/1983) geht die Diskussion über die Aufteilung der Privathonorare weiter. Wir bringen in lok- kerer Folge weitere Stimmen dazu.

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Auch nach dem steirischen Ärztestreik (FURCHE, 28/1983) geht die Diskussion über die Aufteilung der Privathonorare weiter. Wir bringen in lok- kerer Folge weitere Stimmen dazu.

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Die freie Arztwahl, auch im öffentlichen Krankenhaus, und nicht nur im kleinen, privaten Belegspital, ist in Österreich in allen Krankenanstalten durch die Einrichtung der Sonderklasse möglich. Sie ist seit Jahrzehnten den deklarierten oder stillen Anhängern eines staatlichen Gesundheitsdienstes ein Dorn im Auge.

Was die Beseitigung der freien Arztwahl bedeuten kann, wurde in England bei der Einführung des verstaatlichten Gesundheitsdienstes demonstriert: Behand-

lung durch einen anderen als den dafür eingeteilten Arzt ist strafbar; also mußte die Behandlung beim Arzt des Vertrauens, der nicht staatlich zugeteilt war, so honoriert werden, daß eine Geldstrafe bei Entdeckung dieser „unbefugten“ Hilfe damit abgedeckt werden konnte.

Hat sich seinerzeit allein schon durch den so entstandenen Schwarzmarkt in Großbritannien dieses System ad absurdum geführt, so ist diese Frage derzeit auch in Österreich aktuell. Politiker der beiden Großparteien haben in den letzten Wochen und Monaten im Blickwinkel ihrer Doktrin oder der Wählerschaft die „ungerechtfertigten Millionenhonorare der Primarärzte“ auf das Korn genommen und als ungerechtfertigtes Privileg einer kleinen Personengruppe bezeichnet.

Die Möglichkeit der freien Arztwahl ist dem Österreicher etwas wert, das beweist er dort, wo sie noch besteht. So ist er für manche Zahnbehandlung beim frei praktizierenden Zahnarzt seines Vertrauens zur erheblichen Aufzahlung aus eigener Tasche bereit.

Wenn es nun aber um eine schwere, oft lebensbedrohende Erkrankung geht, soll dann nicht mehr die Möglichkeit bestehen, sich einem bestimmten Chirurgen in die Hände zu geben, zu dem man auf Grund seines Rufes oder persönlicher Erfahrung Vertrauen hat?

Diese Möglichkeit ist, wie Erfahrungen aus Kärnten zeigen,

zumindest in Frage gestellt, wenn diesem Chirurgen ein wesentlicher, ja der überwiegende Teil jenes Honorars weggenommen wird, welches ihm der Sonderklassepatient oder dessen privater Krankenversicherer für seine Leistung bezahlt.

Ein gewissenhafter Primararzt erbringt schon auf der allgemeinen Gebührenklasse eine Arbeitsleistung, die der Normalarbeitszeit entspricht und die mit seinem Gehalt abgedeckt ist. Wenn er nun darüber hinaus auf der Sonderklasse Leistungen erbringt, dann gibt er davon — so die Regelung in den meisten Bundesländern — einen Teil dafür dem Krankenhauserhalter, daß die Einrichtungen zur Verfügung gestellt werden, einen weiteren Teil den Ärzten seiner Abteilung, in den meisten Fällen auch allen Ausbildungsärzten des Hauses.

Ihm selbst verbleibt in der Regel nur etwa die Hälfte des Privathonorars.

Nun ist in einzelnen Bundesländern geplant, vorbereitet oder angeordnet, daß dem Primararzt diese verbleibende Hälfte auch zur Gänze oder zum größten Teil weggenommen (^konfisziert) wird, wenn seine Einnahme in dem betreffenden Monat infolge seiner Leistungen einen bestimmten Betrag übersteigt. Ein im Zivilrecht einmaliger Fall.

Wer kann es dem Primararzt verdenken, wenn er sich unter diesen Umständen nicht mehr bereit findet, zwölf oder vierzehn Stunden am Tag zu arbeiten und alle die Menschen zu versorgen, die ihm besonderes Vertrauen schenken?

Und damit ist die freie Arztwahl im Wege der Sonderklasse eines Krankenhauses weitgehend beseitigt, wenn solche Regelungen im Blickwihkel auf den optischen Augenblickserfolg durchgedrückt werden.

Daß heute in Österreich - zum Unterschied von den USA, wo derartiges nur für wenige erschwinglich ist und zum Unterschied von jenseits des Eisernen Vorhanges, wo auch der Schwarzmarkt blüht — einem relativ großen Anteil der Bevölkerung die Behandlung in der Sonderklasse und damit die freie Arztwahl finanziell möglich ist, daran haben die privaten Krankenversicherer (Zusatzversicherer) ein erhebliches Verdienst. Denn sie übernehmen diese Kosten, meist zu vereinbarten ermäßigten Tarifen; sie leben auch davon, daß den Versicherten diese freie Arztwahl die Versicherungsprämie wert ist.

Wenn Zeitungsmeldungen zufolge Ärztekammerpräsident Richard Piaty es als Skandal bezeichnet haben soll, daß die Arzthonorare in den einzelnen Bundesländern verschieden hoch sind, liegt hier entweder ein Mißverständnis oder ein Vergreifen im Ausdruck im Rahmen einer mitunter sehr hitzigen Debatte vor.

Die Verschiedenheit der Honorare ergibt siel} daraus, daß in den meisten Bundesländern durch Verordnung ein ziemlich umfangreicher Tarif für diese Arzthonorare aufgestellt wird. Nur nach diesem Tarif dürfen sie eingehoben werden, wobei, wie erwähnt, die Versicherungen noch Nachlässe erwirkt und vereinbart haben.

Wenn jetzt einzelne Landesregierungsmitglieder zur Argumentation gegen die Primarärzte einige wenige Extremfälle hoher Monatseinkommen herausgreifen, so müßten sie sich zunächst einmal fragen, ob sie nicht durch versäumte Anpassung des Verordnungstarif es oder durch Unterlassung der Teilung übergroßer Fachabteilungen selbst diese Extremfälle zumindest mitverursacht, wenn nicht herbeigeführt haben.

Die Lösung kann nur heißen: Tarifkorrektur, wo es sachlich gerechtfertigt ist; Beseitigung der Mammutabteilungen und Vermeidung der unüberschaubaren Mammutkrankenhäuser; Sicherung der freien Arztwahl durch Belassung der leistungsgerechten Honorierung, auch als Anreiz zur Leistungsbereitschaft.

Der Autor ist Rechtsanwalt und Vertreter der konfessionellen Krankenanstalten Österreichs im Krankenanstalten-Zusam- menarbeitsfonds.

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