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Von Zimmermann bis Nabokov

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An zwei Abenden während der ersten Woche gedachte man in der Akademie der Küraste im Hansa-Viertel des verstorbenen Komponi-slen Bernd Alois Zimmermann und einen Tag später Max Reinhardts, dessen Geburtstag sich am 9. September 1973 zum hundertsten Male jährte.

Daß die Berliner Festwochen Zimmermann aus diesem Anlaß insgesamt vier Veranstaltungen der Aufführung seiner Werke reservierten, ist überaus erfreulich. Hervorragende Interpreten, die wie der Cellist Siegfried Palm und die Pianistenbrüder Kontarsky mit dem Komponisten jahrelang zusammengearbeitet hatten, machten mit kammermusikalischer Noblesse und beschwörender Eindringlichkeit im Espressivo die Größe dieser eigenwilligen Individualität deutlich, seine Konsequenz und Strenge, eine der geistigen Ordnung verpflichtete Überzeugungskraft. Der Jubel für die Interpreten enthielt auch den Dank dafür, daß sich die Programmdirektion der Festwochen zu der keineswegs alltäglichen Haltung, einem nur in kleinerem Kreis bekannten Komponisten etliche Plätze im Festwochenprogramm zu sichern, entschließen konnte.

Eher zu familiär ging es einen Tag danach am selben Spielplatz bei der Reinhardt-Feier zu. Es wurde munter durcheinandergeredet, obgleich OsJcor Fritz Schuh als Moderator und Wortverteiler sachliche Ruhe und klaren Kopf bewahrte. Es half alles nichts: Gegen die Klatsch-und Tratschsucht, mit der die entre trois ages sitzenden Miminnen ein Theater vor geschlossenem Vorhang improvisierten, war kein Kraut gewachsen ...

Was noch zum Entree der Berliner Festwochen gehörte? Einiges Erfreuliche sogar, wie zum Beispiel ein Beethoven-Abend in der Berliner Philharmonie, mit Karl Böhm als Dirigenten und Karajans Berliner Philharmonischem Orchester. Die Musiker und der Maestro mit dem Stab hatten schon mit der eingangs musizierten heiteren vierten Symphonie einen rauschenden Erfolg zu verzeichnen — Böhm und die akkurat und virtuos spielenden Berliner ließen einmal öfter die Überlegung anstellen, weshalb die mit geraden Nummern bezifferten Beethoven-Symphonien beim großen Publikum kaum populär sind — die „Pastorale“ ausgenommen ... Am Ende wurde der muntere 79er minutenlang gefeiert und erklomm immer wieder mit einem kleinen Hüpfer den Sckel des Kapellmeisterpodestes ...

Um einiges weniger erfreulich geriet ein Abend in der Deutschen Oper Berlin, an dem Nicolas Nabo-kovs musikalische Komödie „Love's Labour's Lost“ (auf deutsch: Verlor'ne Liebesmüh'“) in englischer Sprache aus der Taufe gehoben wurde. Es fällt schwer, den Titel des Werkes nicht als verbindlich für seine Substanz anzusehen. Möglicherweise hätte eine Übertragung ins Deutsche die ganze „Commedia dell'unarte“ erträglicher gemacht; anderseits ist nicht auszuschließen, daß das Publikum durch den Gewinn einer ihm vertrauten Sprache allzusehr dem Unsinn des ganzen Unternehmens ausgeliefert worden wäre. Denn die eklektizi-stische Musik hatte zum Text ebensowenig Beziehung wie das erst verblüffte, dann gelangweilte Publikum zur nicht vorhandenen Handlung.

Nabokov, der etliche Jahre in Berlin als Festwochenintendant tätig gewesen ist, hätte sich die stolz zur „musikalischen Komödie“ hinaufli-zitierte Nichtigkeit ersparen sollen; sein Ansehen als Generalsekretär des Kongresses für kulturelle Freiheit, sein jahrelanger Einsatz als künstlerischer Leiter der Berliner Festwochen wären bei kompositorischer Enthaltsamkeit nur gestiegen.

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