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Vorhang aus Weihrauch

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Mit offenem Mund hätten die Kardinäle der „plötzlichen Eingebung“ Papst Johannes' XXIII. zugehört, als er das bevorstehende ökumenische Konzil — gemeinsam mit einer Reform des Kirchenrechts — am 26. Jänner 1959 ankündigte. Im Rahmen eines Routine-Besuches in der römischen Basilika St. Paul vor den Mauern sei damals die Ankündigung der auch schon früher in Erwägung gezogenen Kirchenversammlung, des nachmaligen 2. Vatikanischen Konzils, erfolgt.

Der Leiter des vatikanischen Pressebüros habe den im „Vatikanischen Pressesaal“ wartenden Journalisten den vermeintlichen Routine-Text der betreffenden Papstansprache kommentarlos übermittelt - noch bevor sie von Johannes XXIII. in St. Paul tatsächlich gehalten worden war...

So spannend und ernüchternd zugleich schildert der langjährige Vatikan-Journalist Luitpold A. Dorn die von mangelndem medialem Fingerspitzengefühl zeugende vatikanische Informationspolitik in seinem eben erschienenen Buch über Johannes XXIII. Facettenreich und zuweilen verklärend breitet Dorn sein Netz von farbigen Anekdoten über Herkunft und Familie des am 25. November 1881 im Bergamaskischen Geborenen, dessen „Giovanni XXIII.“ heute Namensbestandteil seines Geburtsortes „Sotto il Monte“ ist.

Mitarbeiter, Vorgesetzte und Freunde läßt Dorn die Seminarzeit in Bergamo, Studium und Priesterweihe in Rom schildern, die Aufenthalte des unkonventionellen Diplomaten im päpstlichen Dienst in Bulgarien, in Griechenland, in der Türkei (die ersten Kontakte zur noch sehr fernen Orthodoxie entstanden damals). Angelo Giuseppe Roncallis erfolgreiches Wirken als Nuntius in Paris (noch unter deutscher Besetzung brachte er wichtige Bischofsernennungen zustande) und seine seelsorglichen Aufgaben als Patriarch (und Kardinal) in Venedig kommen zur Sprache.

Der aus Venedig stammende Kammerdiener Johannes' XXIII., Guido Gusso, erzählt anschaulich: „Auf der Straße, auf dem Markusplatz, wenn man zur Madonna della Salute hinüberfuhr, aber auch in Rom, als Papst - immer unterhielt er sich mit den einfachen Leuten, den Gärtnern, den Maurern. Er wollte wissen, wer sie waren, erkundigte sich nach ihren Familien, den Kindern und ihren Sorgen.“

Sechsundsiebzigjährig wurde Roncalli am 28. Oktober 1958 als „Ubergangspapst“ gewählt - und leitete tatsächlich den Ubergang zu einem neuen Zeitalter in der Kirchengeschichte ein.

Die einleitend geschilderte, dem Buch von Luitpold A. Dorn entnommene Episode aus der vatikanischen Öffentlichkeitsarbeit wurde anläßlich der Buchpräsentation dieser Tage noch um einige Fakten ergänzt.

Um die Information der Medien bemüht sich seit dem Jahr 1963 in Rom ein gemeinsames Nachrichtenbüro der deutschen, österreichischen, Schweizer (und früher auch der holländischen) katholischen Nachrichtenagenturen. Es bezieht seine Informationen in erster Linie vom „Vatikanischen Pressesaal“, dem das vatikanische Staatssekretariat Nachrichten übermittelt.

Die authentische Wiedergabe päpstlicher Dokumente und Berichte über kirchliche Vorgänge ist auch Aufgabe von Radio Vatikan, das in 35 Sprachen sendet, mit einem Schwerpunkt in Osteuropa. Die nichtoffizielle vatikanische Tageszeitung „Osservatore Romano“ (mit einer Wochenausgabe in deutscher Sprache) vermittelt ebenfalls vor allem offizielle päpstliche Äußerungen. Versuche von Journalisten, „Hintertürin“ und Schlupflöcher im „Weihrauch“-Vorhang Roms gegenüber den Medien zu finden, sind höchst selten von Erfolg gekrÖnt.

JOHANNES XXIII. Von Luitpold A. Dorn. Verlag Styria. Graz-Wien-Köln 1986.160 Seiten, kart., öS 178,-.

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