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Was die Steine verkünden

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Historische Inschriften sind zunehmend vom Verfall bedroht. Nicht nur die natürlichen Auswirkungen des Alterns schaden den jahrhundertealten, in Stein gemeißelten Zeugen der Vergangenheit; in den letzten Jahrzehnten wird dieser Prozeß durch verschiedenste Luftschadstoffe noch weiter beschleunigt. Für Historiker in Zusammenarbeit mit Denkmalschützern kann es zu einem Wettlauf mit der Zeit kommen, sollen die nicht nur für die Geschichtswissenschaft so wichtigen Quellen erhalten bleiben.

Vor kurzem diskutierten Experten aus ganz Europa im Rahmen einer Fachtagung für mittelalterliche und neuzeitliche Epi-graphik in Graz (veranstaltet von der Inschriftenkommission der Akademie der Wissenschaften und der Historischen Landeskommission für Steiermark unter Leitung von Walter Koch) über spezifische Fragen der Inschriften als Quelle für verschiedene Wissenschaftsdisziplinen. Einen der Schwerpunkte büdete ein Round-Table-Gespräch zum Thema „Restaurierungsprobleme und Epigraphik“ bei dem erstmals in so großem Rahmen Historiker und Fachleute aus dem Bereich der Denkmalpflege an einem Tisch saßen.

Als Ergebnis für die Praxis wird in Kürze ein Maßnahmenkatalog zum Schutz historischer Inschriften vorliegen. .Allen, die sich in irgendeiner Form mit Inschriften beschäftigen, Historikern, Experten der Paläographie, Kunsthistorikern und Denkmalschützern sollen damit konkrete Richtlinien für Erhaltungsstrategien vorgelegt werden“, so Ernst Bacher vom Bundesdenkmalamt.

Nach diesem Stufenplan sollten im Rahmen konservatorischer Maßnahmen zu aUererst die Umweltsituation und die Existenzbedingungen der Schriftdenkmäler verbessert werden. Das können wenig aufwendige Maßnahmen sein wie das Anbringen von Schutzdächern, Verschalungen im Winter, Verglasungen oder etwa auch geringfügige Veränderungen des Standortes: Verlegung von draußen nach drinnen.

Genauso wichtig ist aber auch die regelmäßige Pflege der Steindenkmäler, die das Fortschreiten von Schäden verhindert. Erst wenn solche, nicht aufwendige Methoden ausgeschöpft sind, könnte ein Eingriff in die Substanz erfolgen. Minimale Intervention und mögliche Reversibilität sind dabei die Maximen.

Restaurierungsmaßnahmen, so der Forderungskatalog der Experten, sollten immer nur in Ausnahmefällen erfolgen. Gerade bei chemischen Methoden sind die Meinungen geteüt. In Bayern wird beispielsweise seit einigen Jahren die nicht ganz unumstrittene Methode der Volltränkung mit „flüssigem Plexiglas“ angewendet. Nicht zuletzt aus finanziellen Gründen ist diese Methode nur bei „Todeskandidaten“ unter den Steindenkmälern als letzte Rettung vor dem sicheren Verfall angebracht. Immerhin belaufen sich allein die Materialkosten pro Küogramm Stein auf rund 140 Schilling — bei einem Grabstein von vielleicht einer Tonne Gewicht ein kostspieliges Verfahren. Überdies fehlen derzeit noch Langzeiterfahrungen.

In der wissenschaftlichen Diskussion standen die Bedeutung der Inschrift als Quelle für die Paläographie, für die Wirtschaftsund Sozialgeschichte, aber auch für die Kunstgeschichte im Vordergrund. Die Typologie epigraphischer Schriften zwischen Mittelalter und Neuzeit zählte zu den Themen. Die Bedeutung von Grabinschriften als Ausdruck des sozialen Aufstiegs führte in den Bereich der Sozialgeschichte.

Der Erhaltung des historischen Inschriftengutes für wissenschaftliche Zwecke dienen auch gezielte Aktionen wie etwa Sicherheitsverfilmungen, um sie der Nachwelt zumindest auf Zelluloid gebannt zu erhalten. (Für Wien und Niederösterreich wurde 1987 damit begonnen.) Auch in Deutschland und Frankreich laufen derzeit derartige Projekte. Parallel dazu sind in vielen Ländern Europas umfangreiche Editionsunternehmen im Gange.

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