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Digital In Arbeit

Wirtschaft als Amüsierbetrieb

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Ob schon Qualität gewonnen wurde oder nur ein weiterer journalistischer Bereich heute amüsanter gestaltet wird als früher, bleibt auch nach der 33. Werbewirtschaftlichen Tagung eine offene Frage.

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Ob schon Qualität gewonnen wurde oder nur ein weiterer journalistischer Bereich heute amüsanter gestaltet wird als früher, bleibt auch nach der 33. Werbewirtschaftlichen Tagung eine offene Frage.

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„Wir amüsieren uns zu Tode“ — Neu Postmans These erlebt in Österreichs Wirtschaftsberichterstattung einen durchschlagenden Erfolg, obwohl am Beispiel des US-Fernsehens entwickelt.

Bekanntlich wirft Postman dem US-TV vor, jedes Thema (ob Politik, Religion oder Kultur) unter dem Gesichtspunkt der Unterhaltung zu behandeln und damit den ernsthaften Diskurs in einem Themenkreis, der zunächst nicht der Unterhaltung zuzuordnen ist, zu verhindern.

Chefredakteur Lajos Ruff vom Wirtschaftsmagazin „trend“ hat durch seine Aussagen im Arbeitskreis „Die österreichische Wirt-

Schaftsberichterstattung gewinnt Qualität“ anschaulich dargelegt, daß österreichische Wirtschaftsberichterstattung aus der Sicht eines Wirtschaftsmagazins vorwiegend durch den Unterhaltungswert Qualität gewinnt:

„Die Qualitätssteigerung der letzten zehn bis fünfzehn Jahre ist darauf zurückzuführen, daß wir die Tatsache akzeptiert haben, daß die Leser das, was uns so wichtig erscheint, gar nicht so genau wissen möchten.“

Journalisten müssen um die Gunst des Lesers kämpfen, und wenn „der müde Zahnarzt im Bett“ um halb zehn Uhr abends nach dem ersten Absatz zu lesen aufhört, dann „haben wir als Journalisten versagt, und das Produkt wird ein Nichts“.

Es genüge eben nicht, daß Geschichten wichtig und wahr sein müssen, sie müssen offensichtlich unterhalten. Und das geschieht dadurch, daß nicht Zahlen und Fakten im Mittelpunkt der Wirtschaftsberichterstattung stehen, sondern der Mensch. Dann steigt der müde Zahnarzt nicht aus.

In der Folge undiskutiert blieb, ob es aber tatsächlich ausreichend ist, jenen Angehörigen der meinungsbildenden Schichten der Bevölkerung, auf die etwa ein Wirtschaftsmagazin wie der „trend“ abzielt, die Wirtschaftsproblematik nur an Hand von Geschichten über Menschen nahezubringen. Sind doch nicht wenige bis hin zu Spitzenpolitikern in den letzten Jahren dem Irrtum erlegen, daß Sachprobleme gelöst werden könnten, wenn man nur die Köpfe eines Unternehmens austauscht.

Georg Wailand, der die gleiche Thematik aus der Sicht der Wirtschaftsberichterstattung einer Tageszeitung behandelte, kann da schon mit mehr Verständnis rechnen. Auch er muß das Element Wirtschaft als „lebensnah, pak-kend, spannend“ aufbereiten, „Wirtschaft muß betroffen machen“. Aber er hat es immerhin mit einem Publikum zu tun, das wesentlich weniger Voraussetzungen an wirtschaftlichen Grundkenntnissen mitbringt.

Wie es den Boulevardtageszeitungen gelungen ist, Nicht-Leser zu Lesern zu machen, kann „g'schmackig“ aufbereitete Wirtschaftsberichterstattung auch als Aperitif sehr nützlich sein. Aber dann darf doch erwartet werden, daß ein anspruchsvoller Gast sich auch durch das gehaltvollere Angebot der Speisekarte durcharbeitet

Lajos Ruff hat ein weiteres Element der Qualitätssteigerung der Wirtschaftsberichterstattung an-

geführt, nämlich, daß Generaldirektoren von Unternehmen früher eine Gänsehaut bekommen haben, wenn sie von Wirtschaftsredakteuren um Auskunft gefragt wurden. Heute geben sie lächelnd Antwort. „Die Leute aus der Wirtschaft haben erkannt, daß Öffentlichkeitsarbeit ein Geben und Nehmen ist.“

Wailand meinte realistisch dazu: „Die Gänsehaut haben sie heu-

te auch noch, aber sie haben gelernt, zu lächeln.“ Daß offensichtlich manchem Verantwortlichen der Wirtschaft nicht ganz wohl in seiner Haut ist, angesichts einer Wirtschaftsberichterstattung, die den Unterhaltungswert zum Maßstab hat, wurde auch in der Diskussion nur zaghaft artikuliert. Aber ganz offenkundig produzieren erfolgreiche Magazine (wie der „trend“) ja nicht am Publikumsgeschmack vorbei.

Was der wirtschaftstreibende Leser selbst will, hat eine durch 30 Tiefeninterviews von Helene Karmasin durchgeführte Studie über den Nutzen der Handelskammerzeitungen gezeigt. Auch Wirtschaftstreibende wollen Un-

terhaltung. „Die Qualität der Berichterstattung wird nach dem Grad ihrer unterhaltenden Aufbereitung gemessen.“ Bei Informationen begnügen sich Wirtschaftstreibende entweder mit Informationen aus dem weiteren Lebensumkreis (eben als Unterhaltung) oder mit Informationen, die primär der „Lebenshilfe“ zuzuordnen sind.

Der Trend zur Individualisierung verstärkt diese Tendenz. Man will über seinen engeren sozialen Lebenskreis informiert sein. Uber größere wirtschaftliche Zusammenhänge will man nichts wissen, von Handelskammerfunktionären schon gar nichts.

Eine Welt der Werbewirtschaftlichen Tagung im kleinen war diese Diskussion über die Wirtschaftsberichterstattung schon. Auch die Veranstaltungen im Rahmen des Hauptthemas ,Jmage Österreichs — Wirklichkeit und Traum“ beschäftigten sich aus-

schließlich mit dem Image. Wie wirken wir auf andere? Paßt uns das? Wollen wir es anders haben?

Keiner stellte die Frage nach der Wahrheit, wie wir wirklich sind und nicht nur, wie wir wirken.

Bei Robert Graf klang diese Frage an, wenn er ausführte, daß eigentlich nicht die Skandale unser Image ausmachen (FURCHE 23/1986), sondern daß es die vielen kleinen Unzulänglichkeiten in unserem Auftreten in anderen Ländern und gegenüber Angehörigen anderer Nationen sind.

Ob sich da nicht doch auch mit Informationen und nicht nur mit Amüsement etwas verändern ließe?

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