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Zum Auftakt - die Künstler

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Völlig ungewohnten Ereignissen sahen sich Linzer ÖVP-Parteigän- ger vor ihrem Parteitag gegenüber: Als Vorspiel gab es diesmal Kunst in mehreren Varianten. Die Eröffnung einer Ausstellung über österreichische Avantgarde-Geschichte, Dichterlesungen, Diskussionen über Möglichkeiten und Unmöglichkeiten der Verständigung. Auch etliche Spitzenfunktionäre schüttelten die Köpfe, um so mehr, als die Palette der eingeladenen Künstler keine Rücksichten auf (zu vermutende) konservative Geschmackspräferenzen nahm.

Sogar auf unentdecktes Gebiet hatte man sich gewagt - Engelbert Obemosterer las von den Sorgen und Nöten eines oberösterreichischen Dorfschullehrers, der den Kindern beibringen will, wie ihr Dorf aussieht. Walter Kappacher nahm (einigermaßen didaktisch) das Problem Umweltschutz - Atomenergie auf. Helmut Eisendle, schon etwas bekannter, brachte stark psychologisierende Prosa. Dazu drei dem Publikum bekannte Autoren sehr unterschiedlicher

Prägung: H. C. Artmann alsStar, in schuldiger Skurrilität, bekam allerdings das Publikum nicht ganz in den Griff: Es hatte nicht genügend Zeit, sich auf eher ungewohnte Kost einzustellen. Interessant bei Vintila lvanceanus bilderreicher phantastischer Prosa: das Publikum ging nicht nur inhaltlich mit, sondern reagierte auf die formbedingte Spannung, war deutlich angeregt, wėnn es ein gestalterisches Detail, eine Wiederholung, eine gekonnte Überleitung durchschauen konnte. Eine abschließende Jutta Schütting servierte für ihre Verhältnisse relativ leichte Kost, belohnte damit aber ein stundenlang ausharrendes Publikum mit nive auvoller, aber witzig-eindringlicher Lyrik.

Der folgende Tag gab das Podium den Diskutanten frei: Sprachwissenschaft, Philosophie, Politik, Geschichte, Journalismus, Dichtung - von allen diesen Warten aus beleuchtete man unter Erhard Buseks Gesprächsleitung das Tagungsthema „Kommunikation”.

Was herausgekommen ist? Wie immer - viel und nichts. Natürlich darf man nicht erwarten, daß nur auf Grund eines Kulturgesprächs der kommunikative Stil des Politikers weniger von Ideologie, mehr von Sachkenntnis geprägt sein wird, wie die Diskussionsrunde ziemlich einhellig - wenn auch nicht unwidersprochen - es als Desideratum hinstellte. Doch immerhin, es wurden Akzente gesetzt, man konnte ohne den direkten Druck massenmedialer Zuschauer unver- fremdet nach Argumenten suchen.

Schon allein die Tatsache, daß sich Spitzenfunktionäre der ÖVP zwei Tage lang dem kulturellen Gedankenaustausch widmen, Zeichen für die Wertschätzung der lange vernachlässigten und dem politischen Gegner überlassenen Künstler setzen, allein das verdient Beachtung.

Das Besondere am Linzer Kultursymposionfiel besonders der aus der Bundesrepublik Deutschland angereisten Gabriele Wohmann auf: Politiker, die sich mit Künstlern an den Podiums- und Gasthaustisch setzen, ohne daraus direktes politisches Kapital zu schlagen - das sei, so meinte sie, eine für sie gänzlich ungewohnte Situation.

Ein Mehr solcher Gelegenheiten könnte für alle drei Seiten, Künstler, Politiker und Publikum, nur Gewinn bringen.

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