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Theater-Diskussionen..

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Es hat kaum eine Zeit gegeben, in der soviel über Theater diskutiert wurde wie eben jetzt. Ja, das steigert sich immer noch mehr. Vor allem bei den Theatern selbst, bei den großen wie bei den kleineren, herrscht das Streben vor, mit dem Publikum in unmittelbaren Kontakt zu kommen. So hat das Burgtheater auch in der laufenden Spielzeit wieder Diskussionen von Theaterleuten, Kritikern und auch sonstigen Maßgeblichen über Stück und Aufführung, teils vor der Premiere, teils nach ihr veranstaltet. Die österreichische Hochschülerschaft lud in der vergangenen Saison Fachleute ein, über die Frage „Brauchen wir das Burgtheater?“ und über experimentelles Theater zu diskutieren. Der Verein für Jugend und Theater, „Thespis“. veranstaltete eine Diskussion um die Problematik der Kleinbühncn. Aber auch die Theater in Graz, Innsbruck, Klagenfurt boten Veranstaltungen dieser Art.

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Es hat kaum eine Zeit gegeben, in der soviel über Theater diskutiert wurde wie eben jetzt. Ja, das steigert sich immer noch mehr. Vor allem bei den Theatern selbst, bei den großen wie bei den kleineren, herrscht das Streben vor, mit dem Publikum in unmittelbaren Kontakt zu kommen. So hat das Burgtheater auch in der laufenden Spielzeit wieder Diskussionen von Theaterleuten, Kritikern und auch sonstigen Maßgeblichen über Stück und Aufführung, teils vor der Premiere, teils nach ihr veranstaltet. Die österreichische Hochschülerschaft lud in der vergangenen Saison Fachleute ein, über die Frage „Brauchen wir das Burgtheater?“ und über experimentelles Theater zu diskutieren. Der Verein für Jugend und Theater, „Thespis“. veranstaltete eine Diskussion um die Problematik der Kleinbühncn. Aber auch die Theater in Graz, Innsbruck, Klagenfurt boten Veranstaltungen dieser Art.

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Von überaus zahlreichen bundesdeutschen Bühnen, von Rendsburg bis München, von Saarbrucken bis Hof, liegen ebenfalls Berichte über Diskussionen vor. Wird aber im Fernsehen über Theater diskutiert, kommt dem eine ungleich größere Bedeutung zu, da damit unvergleichlich mehr Zuhörer zu erfassen sind als von Theatern oder sonstigen Veranstaltern. Lebendige Führung vorausgesetzt, die man keineswegs immer feststellen kann, wird Anteilnahme auch bei Menschen erweckt, die sonst kein Interesse am Theater besitzen.

Was verursacht, mag man sich fragen, diese derzeit so auffallende Neigung, Theaterdiskussionen zu veranstalten? Befindet sich das Theater in einer tiefer reichenden Krise als je vorher und besteht das Streben, sich damit auseinanderzusetzen? Oder zeigt sich ein zeitbedingter Trend, das Theatererlebnis vom emotionalen Bereich wegzuführen und zu intellektualisieren? Nun sind seit einiger Zeit wesentliche, für die Gegenwart kennzeichnende Bühnenwerke entstanden, zu denen viele keinen inneren Zugang finden. Das gilt besonders für verschlüsselte Bühnenwerke, für alle ungewohnten Problemstellungen und Formen. Stücke aber, die sowohl einer geistigen Elite wie dem einfachen Menschen etwas zu bieten haben, gibt es kaum, das Gesamtbild ist verwirrend. Nun scheut das breite Publikum erfahrungsgemäß alles Neue in diesem Bereich, geistige Beweglichkeit kann man nicht immer voraussetzen. Daher ist eine Aussprache meist ein Gewinn. Eine Wirkung über den Abend hinaus, auf die es beim Theaterbesuch vor allem ankommt, wird dadurch viel eher möglich.

Handelt es sich aber nicht um Gespräche über einzelne schwierigere Stücke, hängt es vor allem von der Themenstellung ab, ob Diskussionen für das Publikum Anreiz bieten. Bei allgemeinen, grundsätzlichen Problemen ist dies dann der Fall, wenn „heiße Eisen“ vorgelegt werden. Worüber sich jeder von sich aus ereifert, worüber er sich ärgert, das drängt zur Aussprache. Wo zu erwarten ist, daß gegensätzliche Meinungen aufeinanderprallen und die Diskussionsredner sich erhitzen, füllen sich die Säle. Wählt dagegen professorale Gelassenheit, wissenschaftliche Kühle die Themen, so eignet sich dies sehr wohl für seminaristische Arbeit, aber nicht für Diskussionen vor dem Publikum. *

Aber auch praktische Beweggründe veranlassen die Theater, Diskussionen zu veranstalten. Es geht darum, die Einstellung der Zuschauer zum Gebotenen zu erfahren. Dafür gibt es zweierlei Manometer: die Kritik der Zeitungen und den Kassenrapport. Die Meinung der Kritik ist sehr oft der des allgemeinen Publikums entgegengesetzt. Das kann nicht anders sein, der Kritiker bietet eine individuelle ausgeprägte Ansicht, die, hat sie Qualität, aus reicher Erfahrung, intensiver Gedankenarbeit und unmittelbarem Erleben kommt und damit einen Teilaspekt aus der Einstellung einer elitären Gruppe der Zuschauer darstellt. Das kennenzulernen ist vor allem für ernst strebende Theaterleute wichtig. Doch ebenso wichtig ist es für sie zu wissen, weshalb einzelne Aufführungen weniger besucht werden, weshalb die Anziehungskraft des Dargebotenen nachläßt.

Tatsächlich besteht eine erhebliche Unzufriedenheit mit dem heutigen Theater. Jener Teil der Jugend, der sich am stärksten bemerkbar macht, befindet sich in AntiStellung zu den herrschenden Zuständen und verschreit das Theater als „kulinarisch“, als „Kravattentheater“. Werden aber Stücke auf den Spielplan gesetzt, die den Anforderungen der jungen Leute entsprechen, grollt die Masse des Publikums und bleibt den Theatern fern. Auch aus Zuschriften ist einiges zu erkennen, doch den besten Einblick in die faktische Publikumsstimmung ermöglichen Diskussionen, die zugleich zum Ventil für die Unzufriedenheit werden.

Obwohl heute auffallend viele öffentliche Gespräche um Theaterthemen stattfinden, gibt es dem entgegen nicht wenige Stimmen, die erklären, daß sie nur klägliche Ergebnisse zeitigen und daher letztlich zwecklos seien. Zugegeben, man geht sehr oft von solchen Veranstaltungen höchst unbefriedigt weg, die erwartete Bereicherung bleibt aus. Dabei sitzen am Tisch der eingeladenen Redner sehr oft Persönlichkeiten, von denen an sich fundierte, stichfeste Äußerungen zu erwarten wären. Kommt es nicht dazu, ist dies vor allem die Schuld des Diskussionsleiters. Immer wieder kann man die Erfahrung machen, daß sie ihrer Aufgabe nicht gewachsen sind.

Oftmals bereitet man die Diskussionen nur mangelhaft vor. Auch müßte im vorhinein festgelegt werden, was im Bereich der gegebenen Thematik durch die besondere Einstellung der Hauptredner Ergiebigkeit verspricht. Dadurch ließen sich Fixpunkte der Gesprächsfolge festlegen, so daß die Gefahr, ins Uferlose zu geraten, verringert wird. In der Diskussion selbst begnügen sich die meisten Gespräcksleiter damit, jene, die sich zu Wort melden, aufzurufen und das Gesagte auf sich beruhen zu lassen. Dadurch entsteht nichts anderes als eine Kette von Monologen, die nicht selten durch allzuviel Selbstgefälligkeit der Redner vom Thema wegführen. Aufgabe des Diskussionsleiters ist es, dauernd den Kernbereich der gestellten Probleme anzusteuern, geistiges Animo zu erregen, ein lebhaftes Für und Wider herbeizuführen und vor allem — dies sei mit Nachdruck gesagt — durch Fragen und Einwendungen aus dem Vorgebrachten ein Letetes an Prägnanz herauszuholen. Falsch wäre es, von solchen Veranstaltungen eine einhellige Auffassung als Ergebnis zu erwarten. Ihr Wert besteht darin, daß der Zuhörer durch geschickte Führung des Gesprächsleiters von den Diskussionsrednern verschiedene, möglichst präzis formulierte Stellungnahmen kennenlernt und zu eigenem Denken entscheidet auch hier die Nachwirkung.

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