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Zuviel Angst vor Löwen ?
Auf dem Schwarzen Kontinent findet momentan ein Wettlauf zwischen den Religionen statt. In dieser Situation muß die dortige Kirche mehr als nur „afrikanisch“ werden.
Auf dem Schwarzen Kontinent findet momentan ein Wettlauf zwischen den Religionen statt. In dieser Situation muß die dortige Kirche mehr als nur „afrikanisch“ werden.
„Wer singt und tanzt, betet doppelt“, vorausgesetzt, es handelt sich um einen Christen aus Nigeria, dessen Seelenleben sich spontan in Musik und Tanz, in Rhythmus und Farbe widerspiegelt.
Haben nicht auch in Europa, der alteingesessenen Domäne des Christentums, die Teenager begeistert mit Händeklatschen ihr „Amen“ skandiert und damit den direkten Draht zu ihrem Erlöser gefunden, der vielen von ihnen im meditativen Gebet wieder abhanden gekommen ist?
Schon auf der Konferenz des Weltkirchenrates 1973 in Thailand unter dem Motto „Erlösung heute“ wurde festgestellt, daß die jeweilige Kultur die Stimme der Menschen formt, mit der sie der Stimme Christi antwortet. Der europäische Christ handelt, als hätte er auf Grund seiner okzi-dentalen Kultur die Prokura für das Christentum erlangt.
„Afrikanische Theologie - Religiöses Denken auf neuen Wegen“ nannte sich eine Studientagung im Afro-Asiatischen Institut in Graz; sie fand annähernd zur gleichen Zeit statt, als sich in Rom die außerordentliche Bischofssynode mit einer starken Delegation aus den Entwicklungsländern über die Auswirkungen des Zweiten Vatikanischen Konzils auseinanderzusetzen begann. Afrikanische Theologen aus Zaire, Togo und Nigeria berichteten von den Sorgen ihrer Heimat, deren Länder völkerrechtliche Unabhängigkeit erreicht haben und gleichzeitig zum Schauplatz ideologischer Wettläufe geworden sind.
Das gegensätzliche Denkschema der beiden letzten Jahrhunderte hatte gelautet: Hier der eine und wahre Gott, die Engel, das Gute, die Humanität; dort die Götzen, die Dämonen, das Böse und Unwahre, die Scheinwelt.
Der Missionar erschien als „Bote eines Christentums mit Universalanspruch“, wie Kossi Tossou aus Togo in seinen Betrachtungen über die „afrikanische Afrika-Mission heute“ formulierte. Nicht nur der Kolonialbeamte, auch der Missionar, ob katholisch oder evangelisch, hat die primitiven--Riten, Tänze und geschnitzten Bilder kritisiert und als satanische Sinnlichkeit abgetan. „Hic sunt leones“ - hier wohnen Löwen.
Das Christentum war in Gestalt seines Missionars in ein Dilemma zwischen Sendungsauftrag und zivilisatorischem Herrschaftsanspruch geraten, dem alles weichen mußte, was an kulturellen und religiösen Ausdrucksformen vorhanden war. Nicht nur der Umgang mit der Trommel, sondern auch die Zuflucht zur Medizin war verboten.
Geistiger Rückhalt
Von einem afrikanischen Christen erwartete man, daß er sich an einen Arzt im Spital und nicht an den Medizinmann wandte, der in seiner profunden Kenntnis der heimischen Kräuter von alters her Fieber und Krankheiten heilen konnte.
Der Begriff „Unheilssituation“ der Heiden reicht nicht mehr aus, um der Heilsbotschaft jenen Raum zu geben, der ihr seit jeher zugedacht war: „Gehet hin und lehret alle Völker!“
Um die Seele Afrikas
Heute sieht der Europäer die Achtung vor den Wertvorstellungen fremder Völker als selbstverständlich an. Die Kirche hat in
Afrika, so sagte der Papst anläßlich seiner jüngsten Afrikareise, nicht nur afrikanisch zu sein; sie muß in Zaire zairisch und in Kenia keniatisch sein.
Der Keniate Ngugi wa Thi-ong'O, Schriftsteller und überzeugter Nichtchrist, spricht seine Erwartungen für die Zukunft aus: „Die Kirche muß sich selbst in Form und Gehalt darauf ausrichten, einen echten geistigen Rückhalt im fortdauernden Kampf der Massen des heutigen Afrika zu bilden.“
Eines Afrika also, dessen Seele in der Vergangenheit verstummte, das aber heute mit seinen so-ziopolitischen und ökonomischen Nöten als Entwicklungsland brachliegt und der Erlösung harrt.
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