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JOHANNES VIROLAINEN / ALS AGRARFACHMANN IN WIEN

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Die Konferenz der EFTA-Staaten, die dieser Tage in der österreichischen Bundeshauptstadt stattfindet, lenkt ab vom Trubel der großen Staatsjubiläen und von den hochgehenden Wahl-kampfu>ellen, die sich letzten Sonntag freilich urplötzlich wiederum gelegt haben. Nicht weniger als fünf Regierungschefs haben sich in Wien versammelt, um

hier über die Zukunft der Europäischen Freihandelszone zu beraten: ein zweites Treffen — nach dem der Außenminister der „Großen Vier“ —, das Wien wiederum für eine Weile ins Blickfeld internationaler Aufmerksamkeit rückt. Ist ein Brückenschlag zwischen EFTA und EWG möglich? Um diese und noch etliche andere Fragen, die unmittelbar unsere Zukunft betreffen, geht es auf dieser Konferenz, die übrigens vom britischen Premierminister Wilson angeregt wurde.

Einer der fünf Ministerpräsidenten ist Finnlands Johannes Virolainen. Die Situation Finnlands ist — politischgeographisch gesehen — nicht unähnlich der unseren. Virolainens Begleiter, Exministerpräsident Außenminister Karjalainen, Experte für Wirtschafts- und Integrationsfragen, stellte kürzlich fest, daß die Neutralitätspolitik — auch für Österreich — ein Mittel zur Wahrung nationaler Interessen sei. Und eben damit hängt eine endliche Lösung der Integrationsfrage zusammen, vor allem für den neutralen Klein-

staat, der außenpolitisch Rücksicht zu nehmen hat.

Der Doktor habil. Johannes Virolainen kennt die Handelsprobleme seiner Heimat, ist er doch Vorsitzender der „Agrarunion“, der stärksten Partei seines Landes. Der heute einundfünf zig jährige Politiker — am 31. Jänner 1914 im an die Sowjetunion abgetretenen Viborg geboren — stellt seit September 1964 an der Spitze der Regierung, einer von verschiedenen konservativen

Gruppen gebildeten Koalitionsregierung.

Virolainen — Diplomlandwirt — gehört seit 1945 dem finnischen Parlament an, war jedoch als Agrarfachmann bereits während des Krieges in führenden Positionen tätig. Nach dem Friedensschluß mit dem mächtigen Nachbarn im Osten, 1944, kümmerte sich Virolainen um die aus den an Rußland gefallenen Gebieten evakuierten Bevölkerungsteile. Erst 1950 erfolgt der Eintritt in die Regierung, in das Kabinett Kekkonen, wo er Gelegenheit hat, die wissenschaftlichen Ergebnisse

seiner Doktordissertation auch gleich praktisch auszuwerten. Virolainen bleibt dann in den Kabinetten von Kekkonens Nachfolgern: als Innen-, später auch als Außenminister, unter Sukse-lainen und Fagerholm. Kurzfristig ist er auch Unterrichts- und Landwirtschaftsminister.

Im September 1964 schließlich wird Virolainen Staatsminister — wie in Finnland das Amt des Ministerpräsidenten heißt — und als Nachfolger Sukselainens Vorsitzender der „Agrarunion“.

An Tagen, an denen auf dem Amtssitz des Ministerpräsidenten in Helsinki die Dienstflagge weht, kann man den finnischen Regierungschef schon in den frühen Morgenstunden auf seinem Gut in der Nähe der Hauptstadt arbeiten sehen. Dann wartet der Dienstwagen, erst dann geht es an den Schreibtisch. Auf seinem Gutshof ist Virolainen Landwirt wie jeder andere auch. Nicht nur zu Vorwahlzeiten, wenn Photographen und Kameramänner in der Nähe sind ...

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