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Auf ungesunder Bahn

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Es ist eine bedauerliche, aber scheinbar unvermeidliche Erscheinung in freien demokratischen Staatswesen, daß es periodisch immer wieder zu Lohnkonflikten der einzelnen Berufsgruppen mit ihren Arbeitgebern kommt. Es handelt sich dabei um Streitfälle zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern. Bei Konflikten der Ärzte, die ja als freier Beruf gelten (inwieweit dieses „Frei“ bei uns noch zu Recht besteht, ist eine andere Frage), und der Krankenkassen liegt die Sache komplizierter, da die Ärzte nich. Arbeitnehmer, aber durch Gesetz angehalten werden, die pflichtversicherten Mitglieder der Kankenkassen, und das sind fast 95 Pozent aller Österreicher, zu Sozialtarifen zu behandeln, die im Rahmen der Möglichkeiten der Sozialversicherungsträger liegen.

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Es ist eine bedauerliche, aber scheinbar unvermeidliche Erscheinung in freien demokratischen Staatswesen, daß es periodisch immer wieder zu Lohnkonflikten der einzelnen Berufsgruppen mit ihren Arbeitgebern kommt. Es handelt sich dabei um Streitfälle zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern. Bei Konflikten der Ärzte, die ja als freier Beruf gelten (inwieweit dieses „Frei“ bei uns noch zu Recht besteht, ist eine andere Frage), und der Krankenkassen liegt die Sache komplizierter, da die Ärzte nich. Arbeitnehmer, aber durch Gesetz angehalten werden, die pflichtversicherten Mitglieder der Kankenkassen, und das sind fast 95 Pozent aller Österreicher, zu Sozialtarifen zu behandeln, die im Rahmen der Möglichkeiten der Sozialversicherungsträger liegen.

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Diese Ausgangsposition birgt so viel Konfliktstoff in sich, der es allein schon unverständlich erscheinen läßt, daß sich gerade die relativ kleine Gruppe der Ärzte in einem ständigen kalten Krieg mit dem Mammutapparat der Sozialversicherungsträger befindet, der sich immer wieder in einen heißen zu verwandeln droht. Ein solcher Tiefpunkt war im Jahre 1962, wo tatsächlich in Wien ein totaler Bruch mit den Kassen einen vertragslosen Zustand aller Ärzte herbeigeführt hatte. Allerdings waren solche Kri-senperioden nicht von langer Dauer, und immer wieder kamen friedlichere Zeiten mit nur kleinerem Geplänkel. Es ging bei all diesen Kämpfen meist um eine bessere Honorierung, um Erleichterung im Papierkrieg, Einbau dieser oder jener Leistungsposition in das Hono-rairschema, um eine Abgeltung der gestiegenen Preise und Lebenshaltungskosten und dergleichen. Fast nie oder nur unterschwellig kamen prinzipielle Dinge, die etwa die Freiberuflichkeit des ärztlichen Berufsstandes als eines seiner Fundamente in Frage gestellt hätten, in das Schußfeld. Das ist nun nicht mehr so.

Ein in die Tiefe gehender Streitpunkt ist die Bauernkrankenkasse. Seit Leistungsbeginn am 1. April 1966, also seit nunmehr drei Jahren, besteht zwischen dieser Krankenkasse und den Ärzten kein Vertrag, obwohl es nicht an zahlreichen Gesprächen und auch Vermittlungsversuchen gefehlt hätte. Die Ärzte machen nicht zu Unrecht geltend, daß die Bauernvertreter damals ihre mit der Ärztekammer schon vereinbarten Abmachungen nicht eingehalten, das Gesetz über die Schaffung der Bauernkasse sozusagen über ihren Kopf weg zustande gekommen ist und die gleichen grundlegenden Mängel aufweist wie die -2-Kassen. Sie machen daher einen Vertragsabschluß von verschiedenen für ihre Berufsausübung wesentlichen Bedingungen abhängig. Den Bauernvertretern wieder wird der lange vertragslose Zustand zum politischen Mühlstein, den sie sich unbedingt vom Halse schaffen müssen. Ein Erfolg in dieser Richtung würde der ohnehin durch andere Schwierigkeiten beunruhigten Bauernschaft wenigstens auf diesem Gebiet etwas bringen und Genugtuung verschaffen. Diese schwelende Dauerkonfliktsituation wurde nun noch durch einen Streit der Zahnärzte mit der Kranken Versicherungsanstalt für Bundesangestellte und der Versicherungsanstalt der Eisenbahner verschärft, der sich auch schon 15 Monate hinzieht.

Da die bisherige Ausweichmöglichkeit einer Zahnbehandlung für die Beamten und Eisenbahner bei den Dentisten, die ihre Verträge mit diesen Kassen per 12. Mai ebenfalls gekündigt haben, wegfällt, brennt auch den Vertretern dieser Bevölkerungsgruppen das Problem unter den Nägeln. Sie bewiesen aber weniger Geduld als die Bauern, und es machten die sozialistischen Abgeordneten den „die Gesundheit von 920.000 Österreichern bedrohenden vertragslosen Zustand mit den Zahnärzten“ am 27. März zum Gegenstand einer dringlichen Anfrage im Parlament. Dr. Pittermamn stellte dabei fest, daß es sich um einen In-teressenskonflikt zwischen den zur Sparsamkeit verpflichteten Krankenversicherungsträgern und den Zahnärzten handle. Die Forderungen der Zahnärzte seien weit überhöht und würden außerdem das Lohn-gefüge im öffentlichen Dienst schwer erschüttern. Eine Lösung könne daher nicht mehr aufgeschoben werden. Gleichzeitig fragte er Sozialminister Rehor, ob sie bereit sei, sollte binnen vier Wochen keine Einigung zwischen den Zahnärzten und Kassen zustande kommen, eine Novelle zum ASVG ausarbeiten zu lassen, mit deren Hilfe die Krankenkassen ihren Ambulatoriumsbetrieb ausweiten könnten.

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