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Abkehr vom Feudalismus?

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Kaum ein Wort hat so zündend gewirkt wie die Ankündigung der Demokratisierung der Kirche und des Ubergangs zur kollegialen Leitung. Schien sich doch hier in einem Nachziehverfahren jene Abkehr Vom feudalen und hierarchischen Prinzip zu vollziehen, das vom geduldigen Kirchenvolk nur noch mühsam ertragen wurde, von der Führungsschichte jedoch als jenes Bollwerk in Anspruch genommen zu werden schien, in das sie sich zurückziehen konnte, um die Autorität in Lehre und Leitung zu verteidigen, wo der sakrale Charakter des Priestertums die größere Gewichtigkeit vermissen ließ.Fragt man jedoch die Verteidiger der Demokratie, worin diese bestünde, so erhält man nur zu oft eine Antwort, die den Rückschluß nahe legt, daß es sich eher um Mechanismen der Demokratie handele als um das Wesen der Sache. Nicht anders ist es mit der Hervorkehrung eines Begriffes, dem das II. Vatikanum Nachdruck verliehen hat, der Kollegialität der Bischöfe. Es wäre jedoch sowohl zu wenig als auch zu viel, wollte man die Permanenz dieses Kollegiums lediglich in der Bischofssynode verwirklicht sehen

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Kaum ein Wort hat so zündend gewirkt wie die Ankündigung der Demokratisierung der Kirche und des Ubergangs zur kollegialen Leitung. Schien sich doch hier in einem Nachziehverfahren jene Abkehr Vom feudalen und hierarchischen Prinzip zu vollziehen, das vom geduldigen Kirchenvolk nur noch mühsam ertragen wurde, von der Führungsschichte jedoch als jenes Bollwerk in Anspruch genommen zu werden schien, in das sie sich zurückziehen konnte, um die Autorität in Lehre und Leitung zu verteidigen, wo der sakrale Charakter des Priestertums die größere Gewichtigkeit vermissen ließ.Fragt man jedoch die Verteidiger der Demokratie, worin diese bestünde, so erhält man nur zu oft eine Antwort, die den Rückschluß nahe legt, daß es sich eher um Mechanismen der Demokratie handele als um das Wesen der Sache. Nicht anders ist es mit der Hervorkehrung eines Begriffes, dem das II. Vatikanum Nachdruck verliehen hat, der Kollegialität der Bischöfe. Es wäre jedoch sowohl zu wenig als auch zu viel, wollte man die Permanenz dieses Kollegiums lediglich in der Bischofssynode verwirklicht sehen

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Gerade die Zweideutigkeit, die hier ihren Ursprung nehmen kann, wird zur programmatischen „Generalbereinigung“, die bis zur Unterstruktur der Pfarre (man verzeihe das unschöne Wort) durchgezogen werden soll. Fragt man dann den Seelsorger, der sich am Begriff der Kollegialität berauscht hat, wie eine Pfarre unter diesem neuen Aspekt geleitet werden soll, >so kann es geschehen, daß man mit einer vagen Formel abgespeist wird: der Pf airrer werde sich mit seinen Räten an einen Tisch setzen, um in gemeinsamer Beratung über das Wohl der Pfarre zu befinden. Auf den schüchternen Einwand, daß die Modalitäten der Beschlußfassung doch einigermaßen unklar seien, erhält man vielleicht ertef)ftt'ih4'gende>'■ Aintwority-eiS' kärcre-auf die Stärke der Persönlichkeit an. Ein Pfarrer mit echter Autorität werde imstande sein, sich auch dem Pfarrgemeinderat gegenüber durchzusetzen. Unbeantwortet bleibt die Frage, was dann geschieht, wenn diese ausgeprägte priesterliche Persönlichkeit fehlt. Selbst bei der wohlwollenden Voraussetzung, daß die meisten Pfarrer es verstehen würden, Initiative und Beschlußfassung in ihrer Hand zu vereinigen, bleibt die bange Frage, ob nicht das verpönte Bollwerk der Autorität niedergerissen worden ist, um einem hemmungsloseren Mißbrauch des Machtstrebens, ganz gleich von wem es ausgeht, bisher ungeahnte Möglichkeiten zu eröffnen. Wie leicht kann es dann geschehen, daß sich ein Übergang von der formalen Demokratie zur Scheindemokratie vollzieht und damit die Schaffung ■einer -meto' oder mtarter~unTOrtiüll“ ten Diktatur oder eines Kollektivs innerhalb kollegialer Leitungsgre-rnien provoziert würde.gens, sondern um die Methode“ der Auseinandersetzung. Jener, der das Anfliegen nicht erkannt hatte, wird die Bescheidenheit besitzen müssen, um eine Initiative zu würdigen, die ein anderer ergriffen hat. Wer sich jedoch berufen fühlt, aus dem Kreis herkömmlichen Denkens und Tuns auszubrechen, darf den Blick auf die Allgemeinheit nicht verlieren, weil sonst der Anspruch, im Sinne des Gemeinwohles zu handeln, verlorenginge.

Erörterungen um eine demokratisierte Kirche vermögen selten zu befriedigen, da sie sich gerne um Kennzeichen bewegen, ohne den Grundgedanken zu erfassen. Darin liegt die Versuchung nicht nur für jenen, der einer Demokratisierung das Wort redet, sondern auch für den, der ihre Grenzen erkennen will. Erörterungen von Problemen auf breiter Basis werden zum „Kirchenparlament“ proklamiert, obgleich das Gremium weder die Souveränität noch die gesetzgebende Befugnis des entsprechenden staatlichen Organs besitzt. Es erscheint geradezu anachronistisch, daß in einem Äugen der kirchliche Amtsträger müsse sich auf den Willen des Kirchenvolkes stützen und daher gewählt werden, berührt zwei Kennzeichen der Demokratie: Repräsentation und allgemeines Wahlrecht. Wollte man etwa den Bischof nur als Repräsentanten des Volkes sehen, so ließe sich das Aufeinanderprallen der Auffassungen nicht mehr auf den gern hochgespielten Gegensatz zwischen Klerus- und Laienkirche zurückführen. Die Verwurzelung ist viel tiefer, weffl sie die Frage nach dem Ursprung der kirchlichen Gewalt berührt. Zumeist soll die Forderung gar nicht in diese Tiefe stoßen, sondern lediglich die Mitwirkung des Volkes bei der Wahl hervorkehren. Zweifelsohne ist dieser Vorgang geschichtlich nachweisbar; Versuche, die Rolle des Volkes auf eine bloße Akklamation zu reduzieren, halten den überlieferten Tatsachen nicht stand. Wieweit die Erfahrung den Wert einer Volkswahl einschätzt, mag dahingestellt bleiben. Zur Richtigstellung sei jedoch gesagt, daß skeptische Äußerungen nicht einfachhin als präkonziliär abgetan werden dürfen, da gerade die Durchführungsbestimmungen des Motu proprio „Ecclesiae sanotae“ der freien Verleihung von Benefizien (d. h. ohne vorausgegangene Wahl oder Präsentation) für die Zukunft eine alleinige Berechtigung einräumen und auf Abschaffung der allenfalls noch bestehenden Volkswahlen drängen (6. August 1966 nr. 18 1, A. A. S. 58, 1966, S. 767).

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