Eine "Ökumene der Gaben"
In der Ökumene geht es nicht um die Kirche(n), sondern um das, wozu es sie gibt.
In der Ökumene geht es nicht um die Kirche(n), sondern um das, wozu es sie gibt.
Dem Thema "Ökumene" bin ich wissenschaftlich lange aus dem Weg gegangen. Von Soziologen kannte ich die Thesen einer "sich beschleunigenden Entkonfessionalisierung", ja eines "post-konfessionalistischen Zeitalters", und meine Alltagsempirie bestätigte sie. Hatte nicht selbst Papst Franziskus gesagt: "Wenn wir glauben, dass die Theologen sich einmal einig werden, werden wir die Einheit nach dem Jüngsten Gericht erreichen."
Dann wurde ich eingeladen, in einem kleineren ökumenischen Kollegenkreis mitzudiskutieren. Nach einigen solcher Gespräche bin ich überzeugt: Die Ökumene der Christen ist alles, nur kein Thema allein der Christen. Es ist ein Weltthema. In einer globalisierten Zivilisation, die nicht weiß, wie sie mit ihrer konflikttreibenden neuen Nähe umgehen soll, können und müssen Christen ein Modell dafür sein, wie man mit teils jahrhundertealten Differenzen produktiv und kreativ umgeht. In einer "Ökumene der Gaben" könnten etwa die typisch christlichen Balancen von Schrift und Tradition, Ritus und Wort, Weihepriestertum und Allgemeines Priestertum, die sich durch die Kirchenspaltung schwerpunktmäßig auf unterschiedliche Sozialräume polarisierten,(wieder) innerhalb der eigenen Kirche neu austariert werden. Es ist einer der großen Verdienste der ökumenischen Bewegung, dass dies zum Teil schon geschehen ist.
Vor allem aber: Wie muss das Christentum in seinen Kirchen konstelliert sein, dass es als Ganzes "Zeichen und Werkzeug für die innigste Vereinigung mit Gott wie für die Einheit der ganzen Menschheit" ist, und "zur Rettung der menschlichen Person", zum "rechten Aufbau der menschlichen Gesellschaft", so das Konzil, beiträgt? Das ist die zentrale ökumenische Frage. Denn auch in der Ökumene geht es nicht um die Kirche(n), sondern um das, wozu es sie gibt.
Der Autor ist katholischer Pastoraltheologe an der Universität Graz.
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