Schönborn - © APA / Georg Hochmuth

Schönborn-Nachfolge: Anforderungsprofil eines Erzbischofs

19451960198020002020

Was muss Christoph Schönborns Nachfolger als Wiener Erzbischof können? Noch vor Annahme des Rücktrittsansuchens durch Papst Franziskus plädiert unsere Autorin für einen breiten diözesanen Findungsprozess.

19451960198020002020

Was muss Christoph Schönborns Nachfolger als Wiener Erzbischof können? Noch vor Annahme des Rücktrittsansuchens durch Papst Franziskus plädiert unsere Autorin für einen breiten diözesanen Findungsprozess.

Werbung
Werbung
Werbung

Da alle Bischöfe mit Vollendung des 75. Lebensjahres dem Papst das Ausscheiden aus ihren Funktionen anbieten müssen, kann der Papst den Rücktritt sofort annehmen – oder den Bischof nach seinen Überlegungen auch noch eine Weile in der Aufgabe belassen. Dadurch ist für niemanden abschätzbar, wann sich die Frage der Neubesetzung stellen wird. Um aber auf eine Neuorganisation der Bischofsbestellung vorbereitet zu sein, sollten rechtzeitig Überlegungen angestellt werden.

Wenn heute in Industrie, Politik oder Wirtschaft Führungsfunktionen neu besetzt werden, ist es üblich, vorher ein Anforderungsprofil für die zu besetzende Position zu erstellen. Jede Stellenausschreibung formuliert die notwendigen Erfordernisse, denen der Bewerber oder die Bewerberin entsprechen muss, um die gefragte Position optimal ausfüllen zu können. Zur Analyse des Aufgabengebietes gehört eine Auflistung der Kriterien wie formaler Anforderungen (Ausbildung, Berufserfahrung, Zusatzqualifikationen), sozialer und Führungskompetenzen (Durchsetzungsvermögen, Stressresistenz, Konfliktfähigkeit) sowie Methodenkompetenz (strukturiertes, politisches, strategisches Denken und Handeln) und persönlicher Anforderungen (Zuverlässigkeit, Gesprächskompetenz und Vertrauensbildung). Sind Führungspositionen im kirchlichen Bereich zu besetzen, ist neben diesen Überlegungen auch die „Ausrichtung auf das Wohl der Kirche“ zu berücksichtigen (siehe Lumen Gentium Bemerkungen 3).

Miteinbindung der Diözese

Ob all diese Überlegungen bei den letzten Bischofsernennungen der österreichischen Kirche immer zum Zug gekommen sind, ist mir nicht bekannt. Wenn es römische Räte sind, die aus einem von wem auch immer erstellten unbekannten Dreiervorschlag einen Kandidaten auswählen, können diese keine genauen Kenntnisse über die jeweilige Diözesansituation haben. Also müssten Personen vor Ort in die Entscheidung miteingebunden werden. Der notwendige Dreiervorschlag, der dann nach Rom gesendet werden muss, könnte durch Nennungen auf Diözesanebene ermittelt werden. Da es in jeder Diözese eine Gruppe von möglichen fähigen Kandidaten gibt, kann jeder Katholik aus seiner Sicht der Dinge Personen seines Vertrauens vorschlagen.

So kommt aus dem gesamten Spek­trum der Diözese, aus unterschiedlichsten Richtungen und verschiedensten Geisteshaltungen ein Personenkreis zustande, der dann auf seine Begabung, Fähigkeit und Kompetenzen überprüft werden kann. Für Rom bleibt dann immer noch die Möglichkeit, unter drei fähigen Personen auszuwählen. Um jeden Richtungsstreit zu vermeiden, soll auch das Hearing vor einer unterschiedlich zusammengesetzten Kommission stattfinden. Je mehr die verschiedensten Gruppierungen sich vertreten sehen, umso eher wird auch der ganze Vorgang Zustimmung finden. „Die Erfahrungen der Laien für das Werk der Hirten nicht nur in weltlichen, sondern auch in geistigen Dingen ist wichtig“, so in der Einleitung zu ­Lumen Gentium 37.

„Blickt einander mit Wohlwollen ins Auge, geht aufeinander zu mit den Füßen der Barmherzigkeit und Geduld“, so Bischof Johann Weber in seiner Predigt zur Eröffnung des „Dialogs für Österreich“ am 23. Oktober 1998. Ich bin überzeugt, dass viele Gläubige in der Kirche mit Engagement und Einsatzfreude bereit wären, sich Gedanken über eine Neubesetzung der Wiener Diözesanleitung zu machen. In allen Pfarren, Institutionen und Gruppierungen könnten Personen nominiert werden, die für einen Dreiervorschlag infrage kommen. Aus all diesen Namen würde sich wahrscheinlich durch Mehrfachnennungen eine Rangliste von Personen ergeben, die dann auf ihre Fähigkeiten laut Anforderungsprofil geprüft werden. Bei diesem Auswahlverfahren können Human-Resources-Fachleute, Vertreter(innen) von kirchlichen Institutionen jeder Ebene, Vertreter der Bischofskonferenz usw. ihre Stellungnahme abgeben. Durch konstantes Überprüfen jedes neuen Schrittes kristallisieren sich so Personen heraus, die auch am ehesten den Erwartungen der Gläubigen für diese Funktion entsprechen. „Die verschieden denkenden Christen sollen den offenen Dialog nicht umgehen, die Liebe wahren und auf das Gemeinwohl bedacht sein“, heißt es in Gaudium et Spes, 4.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung