Die Euros anderer - © Foto: iStock/photoschmidt

Finanzausgleich: Ohne Reform wird es eng

19451960198020002020

Beim Wort „Finanzausgleich“ schalten viele Menschen auf Durchzug. Ein gravierender Fehler. Schließlich geht es um die Verteilung von Steuergeld. Ein Appell.

19451960198020002020

Beim Wort „Finanzausgleich“ schalten viele Menschen auf Durchzug. Ein gravierender Fehler. Schließlich geht es um die Verteilung von Steuergeld. Ein Appell.

Werbung
Werbung
Werbung

Ende 2023 läuft der aktuelle Finanzausgleich in Österreich aus. Was bedeutet das? Bund, Länder und Gemeinden müssen sich darauf einigen, wer was warum bekommt – und vor allem wie viel. Seit Dezember des vergangenen Jahres laufen die Verhandlungen zwischen den Finanzausgleichspartnern, der Großteil der Öffentlichkeit schenkt ihnen allerdings wenig Aufmerksamkeit. Kein Wunder! Die finanziellen Beziehungen zwischen den Gebietskörperschaften sind komplex, intransparent und nicht einmal alle Expert(inn)en durchschauen dieses Geflecht.

Navigator

Liebe Leserin, lieber Leser,

diesen Text stellen wir Ihnen kostenlos zur Verfügung. Im FURCHE‐Navigator finden Sie tausende Artikel zu mehreren Jahrzehnten Zeitgeschichte. Neugierig? Am schnellsten kommen Sie hier zu Ihrem Abo – gratis oder gerne auch bezahlt.
Herzlichen Dank, Ihre Doris Helmberger‐Fleckl (Chefredakteurin)

diesen Text stellen wir Ihnen kostenlos zur Verfügung. Im FURCHE‐Navigator finden Sie tausende Artikel zu mehreren Jahrzehnten Zeitgeschichte. Neugierig? Am schnellsten kommen Sie hier zu Ihrem Abo – gratis oder gerne auch bezahlt.
Herzlichen Dank, Ihre Doris Helmberger‐Fleckl (Chefredakteurin)

Trotzdem sollte sich die Öffentlichkeit durchaus für die Ausgestaltung des Finanzausgleichs ab 2024 interessieren. Dieser regelt schließlich die Verteilung der Steuereinnahmen zwischen den föderalen Ebenen. Dabei ist viel Geld im Spiel: Im Budget für 2023 wird mit Steuereinnahmen des Bundes von 108 Milliarden Euro gerechnet. Davon werden 13,5 Milliarden Euro an die Gemeinden und 19,7 Milliarden Euro an die Bundesländer in Form von Ertragsanteilen an den gemeinschaftlichen Bundesabgaben – beispielsweise Einkommensteuer oder Umsatzsteuer – weitergeleitet. Weiter erheben Bundesländer und Gemeinden eigene Abgaben. Bei den Bundesländern sind die Einnahmen hieraus gering. Die Gemeinden haben mit der Kommunalabgabe und der Grundsteuer sowie den Gebühren etwas ergiebigere eigene Einnahmenquellen.

Wohlstand und Daseinsfürsorge

Hinzu kommen Zuschüsse des Bundes in Milliardenhöhe an die Bundesländer und die Gemeinden, um die Erfüllung von deren Aufgaben zu unterstützen. Was diese Aufgaben sind? Etwa die Transfers für die Krankenanstaltenfinanzierung, den Pflegefonds, den Ausbau der Kinderbetreuung sowie für die Landeslehrerinnen und -lehrer – allesamt Causen, die so gut wie jeden Österreicher, jede Österreicherin unmittelbar betreffen. Auch zwischen Ländern und Gemeinden existieren monetäre Wechselbeziehungen (etwa Finanzierungsbeiträge für die Landeskrankenanstalten oder Betreuungseinrichtungen).

Der Sukkus: Beim Finanzausgleich geht es um die Finanzierung unserer Daseinsvorsorge und den künftigen Wohlstand des Landes. Daher ist es für die Öffentlichkeit von größtem Interesse, wie die Verteilung dieser umfangreichen Mittel zwischen den föderalen Ebenen und ihre Verwendung ab 2024 geregelt wird. Mittelfristig sind die budgetären Herausforderungen auf allen föderalen Ebenen groß: Es gibt eine starke Ausgabendynamik in demografiesensiblen Bereichen. Stichwort Gesundheit und Pflege. Gleichzeitig bedarf es aber massiver Investitionen in den Klimaschutz, in Integration, Elementarbildung, schulische Nachmittagsbetreuung.

Werden heimische Steuergelder so eingesetzt, dass fundamentale Lebensbereiche gewissenhaft abgedeckt werden? Viele Expertinnen und Experten bezweifeln das.

Werden heimische Steuergelder so eingesetzt, dass diese fundamentalen Lebensbereiche gewissenhaft abgedeckt werden? Viele Expert(inn)en bezweifeln genau das, mahnen an, dass es an Effizienz fehle. Zudem herrscht Einigkeit, dass es strukturelle Reformen braucht – und in welche Stoßrichtung diese gehen sollen. Ein wichtiger Grundsatz ist hier etwa die stärkere Zusammenführung von Aufgaben-, Ausgaben- und Einnahmenverantwortung: Jene gebietskörperschaftliche Ebene, die eine Aufgabe erfüllt, sollte auch für die Mittelaufbringung verantwortlich sein. In Österreich wird gegen diesen Grundsatz vor allem auf der Ebene der Länder verstoßen, die nur sehr geringe eigene Einnahmen haben und sich vorwiegend aus Ertragsanteilen an gemeinschaftlichen Bundesabgaben sowie Transfers anderer föderaler Ebenen finanzieren. Aber auch die finanzielle Autonomie der Gemeindeebene ist ausbaufähig.

Die Tatsache, dass sich für Bund, Länder und Gemeinden gemeinsam Aufgaben stellen (etwa die Bildungsverwaltung, der Gesundheitssektor oder das Fördersystem) führt darüber hinaus einerseits zu Doppelgleisigkeiten, andererseits zu nur schwer durchschaubaren und steuerbaren Transferverflechtungen. Diese Mandate zu entwirren, tut daher dringend Not und wurde aus diesem Grund auch im Regierungsprogramm vereinbart. Es gilt, bestimmte Posten möglichst eindeutig jener föderalen Ebene zuzuordnen, die zur Aufgabenerfüllung am besten geeignet ist. Gemeinsame Zuständigkeiten – so wie das gegenwärtig viel zu oft der Fall ist – sollten ganz vermieden werden. Diese geforderte Aufgabenentflechtung würde eine entsprechende Entflechtung der Transfers bedingen sowie die Transparenz und Steuerbarkeit der Finanzbeziehungen erhöhen.

Ein wesentliches Reformelement ist daneben die Erhöhung der Autonomie von Ländern und Gemeinden. Um die Verbindung zwischen Ausgaben und Einnahmen zu stärken, brauchen Bundesländer wie Gemeinden mehr eigene Abgabeneinnahmen – aus Gründen der Selbstoptimierung. Denn wenn die nachgeordneten Gebietskörperschaften einen größeren Teil ihrer Ausgaben durch eigene Abgaben finanzieren und sich vor den Steuerzahlerinnen und Steuerzahlern stärker für die Mittelverwendung verantworten müssen, dürfte das ein Anreiz sein, mit den Steuergeldern sparsamer umzugehen. So könnten etwa bestimmte Abgaben vom Bund auf die Länder verschoben werden – oft wird in diesem Zusammenhang die motorbezogene Versicherungssteuer genannt. Denkbar wären auch Zuschlagsmodelle, die den Ländern einen zusätzlichen Zuschlag auf ertragreiche Steuern – beispielsweise die Einkommensteuer – erlauben. Und auf der Gemeindeebene ist eine zentrale Reformkandidatin die Grundsteuer: Seit Jahrzehnten verliert sie aufgrund der veralteten Einheitswerte, die der Besteuerung zugrunde liegen, an Gewicht. Eine Reform des Bewertungsverfahrens ist längst überfällig, um die Einnahmen aus der Grundsteuer deutlich zu erhöhen.

Citymaut als Option

Überhaupt sollte der Finanzausgleich – anders als bisher – als unverzichtbarer Hebel zur Erreichung der österreichischen Klima- und Umweltziele begriffen werden. Dazu gehört die Einführung einer ebenenübergreifenden Klima-Governance. Bund, Länder und Gemeinden sollten gemeinsam wichtige klimapolitische Vorhaben angehen: etwa die Umsetzung der dringend erforderlichen grünen Investitionen oder der Abbau ökologisch kontraproduktiver Subventionen. Auch „grüne“ kommunale Abgaben sollten geprüft werden. Sie würden nicht nur die Abgabenautonomie der Gemeinden ausweiten. Sie könnten darüber hinaus – wie etwa eine Citymaut oder Verkehrserregerabgaben – lokale Umweltprobleme adressieren und zu einer weiteren Ökologisierung des Abgabensystems beitragen. In puncto Finanzausgleich bedeutete das einen weiteren Meilenstein.

Unter diesen Aspekten sollte man als Bürger(in) doch genauer hinhören, wenn in den kommenden Monaten vom Ende des aktuellen Finanzausgleichs die Rede ist. Sind doch bei den Finanzausgleichsvereinbarungen der letzten beiden Jahrzehnte große Strukturreformen ausgeblieben. Versäumt wurde eine Bundesstaatsreform mit einer umfassenden Aufgabenbereinigung sowie die Vorbereitung einer Grundsteuerreform. Dass dies diesmal umgesetzt wird, bleibt wohl Wunschdenken. Die Zeit läuft schon jetzt davon. Dennoch sollten, soweit möglich, auch strukturelle Akzente im kommenden Finanzausgleichspakt umgesetzt und nach dessen Abschluss große Reformvorhaben weiter vorangetrieben werden. Angesichts der mit erheblichen Finanzierungsbedarfen einhergehenden großen gesellschaftlichen Herausforderungen ist der bestehende Finanzausgleich nämlich auf Dauer nicht leistbar. Bleiben die großen Strukturreformen aus, wird es mit der Finanzierung von Investitionen in den öffentlichen Nahverkehr, erneuerbare Energien, Digitalisierung sowie schulische Aus- und Weiterbildung eng.

Die Autorin ist Expertin für Öffentliche Finanzen und Ökonomin am Österreichischen Institut für Wirtschaftsforschung (WIFO).

Navigator

Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen?

Mit einem Digital-Abo sichern Sie sich den Zugriff auf mehr als 175.000 Artikel seit 1945 – und unterstützen gleichzeitig die FURCHE. Vielen Dank!

Mit einem Digital-Abo sichern Sie sich den Zugriff auf mehr als 175.000 Artikel seit 1945 – und unterstützen gleichzeitig die FURCHE. Vielen Dank!

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung