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Digital In Arbeit

Kein Recht auf Familie?

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Gewiß erhöht sich das Beamteneinkommen mit zunehmendem Alter. Doch Familien gründet man in jüngeren Jahren, und man hat auch in dieser Periode Anspruch darauf — beinahe drängt sich das antiquierte Wort „standesgemäß“ auf —, zu leben. Die einst so gepriesene Sicherheit des Arbeitsplatzes hat in der Hochkonjunktur ihren Wert verloren; außerdem bieten die Kammern, Banken und Sozialversicherungsinstitute dasselbe zu besseren Gehältern. Auch die große Pension wird im Laufe der — sehr zu be-: grüßenden — sozialen Entwicklung von der Sozialversicherung eingeholt werden. Die problemgeladene Situation dieser Berufsgruppe drückt sich immer wieder 'darin aus, daß diverse

sich 'neben der gewerkschaftlichen-Interessenvertretung zu etablieren.

Charakteristisch zeichnet die letzte generelle Gehaltserhöhung die Stellung der Staatsbeamten. Wie die Statistiken lehren, erreichten die Gewerkschaften für die Arbeiter und Angestellten in der Privatwirtschaft beträchtliche Reallohnerhöhungen. Nicht so die Vertreter des öffentlichen Dienstes. Die ursprüngliche Forderung der Beamten richtete sich damals auf eine Gehaltserhöhung von 12 Prozent, was ungefähr der Geldwertverdünnung seit 956 (dem Zeitpunkt der vorletzten Gehaltsregulierung) entsprochen hätte.

Infolge der Einsicht dieser Berufsgruppe reduzierte sich die tatsächliche Erhöhung auf 9 Prozent. Aber nicht einmal die wurde sofort gewährt, sondern in zwei Teilen: zu 4 Prozent am 1. Juli 1961 und 5 Prozent am 1. Jänner 1962. Die Geldentwertung betrug von 1956 bis 1960 durchschnittlich etwa 2 Prozent, 1961 3,5 Prozent und wird 1962 Schätzungen zufolge 4,5 Prozent ausmachen. Am 31. Dezember 1962 wird also eine Lohnerhöhung von 9 Prozent einer Geldentwertung von 18 Prozent gegenüberstehen. Aber selbst, wenn man den in dieser Periode eingeführten 14. Monatsgehalt mit 7.6:. Prozent * dazuschläet, ergibr sich fürr die Beamten “in Österreich;; daß in einer Zeit stürmischen wkt*: schaftlichen Aufschwungs kaum ihr Lebensniveau gehalten werden konnte.

Nie waren die Voraussetzungen für eine Verwaltungsreform infolge des finanziellen und personellen Drucks günstiger als jetzt. Ein beträchtlicher Teil der vom Finanzminister verzweifelt gesuchten Millionen ließe sich auf diese Weise bereitstellen. Die freigesetzten Arbeitskräfte würden von der Wirtschaft — eine auch nur annähernd so günstige Konjunkturentsofort aufgesaugt werden. (Natürlich müßte man mit, Hilfe der Arbeitsämter und der Gewerkschaft den Übergang so organisieren, daß keine Härten für die Betroffenen entstehen.) Durch eine neue Kanzleiordnung ließe sich die Hälfte des Kanzleipersonals ersparen, und durch eine Reform des Approbationssystems könnte auch das Konzeptpersonal reduziert werden. Dazu kommt, daß sehr viele Verwaltungsbeamte nicht ausgelastet sind, was man ihnen freilich nicht anlasten kann. Im Gegenteil, es ist vernünftiger, sie tun nichts, als sie erfinden Arbeiten und halten damit ihre Umgebung in Atem.

Die gesamte Reform müßte einer nur dem Bundeskanzler unterstellten Abteilung übertragen werden, der alle Behörden offenstehen und der gegenüber alle Beamten zu Auskünften in organisatorischen Fragen verpflichtet sind — eine Kooperation mit dem Rechnungshof wäre angezeigt. Diese Abteilung hätte nicht nur die gesetzlichen Maßnahmen vorzubereiten, sondern auf Grund ihrer Recherchen dem Ministerrat konkrete Maßnahmen in jedem einzelnen Ressort vorzuschlagen.

Integrierender Bestandteil jeder Verwaltungsreform müßte natürlich die Angleichung der Beamtenbezüge' an die der Privatwirtschaft' sein, um die Qualität der öffentlichen Bediensteten zu sichern.

Die einzige im Österreich des letzten Jahrhunderts durchgeführte Verwaltungsreform war eine durch den Ersparungskommissär des Völkerbundes erzwungene.

Ob man bis-zur nächsten auf eine ähnliche Gelegenheit warten muß?

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