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Christ und Meinungsbildung

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FRAGE: Exzellenz, Sie haben in einem Teil Ihres Hirtenbriefes ein sehr wichtiges Thema aufgegriffen, das Sie selbst mit „Christ und Meinungsbildung“ umschrieben haben. Nicht minder als das Thema, scheint der Ton aufgefallen zu sein, der von einer erfrischenden, man könnte auch sagen schockierenden Direktheit ist, besonders dort, wo er sich gegen Presse und Journalisten im allgemeinen, katholische Presse und katholische Journalisten im besonderen wendet. Soll diese Stellungnahme als ein Beispiel von vielen gewertet werden, wonach an Stelle einer erfreulichen Zusammenarbeit zwischen Kirche und Presse während und kurz nach dem Konzil nun“ wieder ein gewisses Mißtrauen der Kirche gegenüber der Presse tritt, oder haben besondere Vorfälle in ihrer Diözese, beziehungsweise in Österreich, Sie zu dieser sehr bemerkenswerten kritischen Haltung veranlaßt?

ANTWORT: Auch ich stehe dem Gedanken „Christ und Meinungsbildung“, wie Sie aus dem Hirtenschrei-ben ersehen, durchaus positiv gegenüber. Ich danke Ihnen übrigens dafür, daß die Kathpress diesen Teil meines Hirtenbriefes im Wortlaut gebracht hat, so daß sich jeder Leser der Kathpress überzeugen kann, was ich gesagt habe. Nun hat natürlich jedes Ding zwei Seiten, eine positive und eine negative. Mir Hegt daran, auch die negativen Auswirkungen der Presse und der Kommunikationsmittel zu erkennen, weil diese negative Auswirkung unsere prie-sterliche Tätigkeit sehr stark lähmt. Meinungsbildung ist gut, aber es sind ihr Grenzen gesetzt, wie höchste kirchliche Stellen feststellen, so Papst Paul VI., aber auch Kardinal König (ich verweise auf einen Artikel im „Seelsorger“ vom 1. Jänner 1967) oder etwa Erabischof Bengsch von Berlin, der in einer Predigt am 12. November 1966 seinen Gläubigen gesagt hat, daß sie unter Meinungsbildung nicht ihre private Meinung verstehen dürften. Vor allem dann nicht, wenn diese Meinungen den Grundsätzen entgegengesetzt sind, die wir aus der Offenbarung haben.

FRAGE: Sie haben in Ihrem Hirtenbrief geschrieben, daß manche katholischen Presseorgane den „sogenannten Dialog übertreiben, die Meinungsäußerung eines jeden, ob zuständig oder nicht zuständig“. Kann man den Dialog übertreiben, ist bei uns wirklich eine solche Gefahr gegeben? Ist es nicht eher so, darauf hat Prof. Rahner erst vor kurzem hingewiesen, daß es bei uns noch weitgehend an einer offenen Gesprächsform fehlt und daß auch bei uns noch weithin die Meinung vertreten sei, den Dialog vorschnell abzubrechen oder ganz zu unterbinden, damit im Lande Ruhe herrsche? Und was die Unterscheidung von zuständig und nicht zustand/ig betrifft, sind Sie der Meinung, wie aus einer Stelle Ihres Hirtenschreibens hervorzugehen scheint, daß die Laien unzuständig seien, ihre Ansicht etwa zur Frage der Priesterausbildung oder der Knabenseminare zu äußern.

ANTWORT: Der Dialog hat seine Grenzen; denn Christus hat seiner Kirche zunächst nicht das Dialogamt, sondern das Lehramt übertragen. Auch im Verkehrsgeschehen kann man Probleme des Straßenverkehrs, seine Übertretungen und Katastrophen, nicht durch Dialog lösen, sondern durch ganz genaue Normen, auf deren Einhaltung gedrängt werden muß. Der Dialog kann niemals übertrieben werden, wenn er zwischen zuständigen Personen geführt wird, die imstande sind, die Argumente, die angeführt werden, auch zu begreifen. Um das Beispiel der Priestererziehung anzuführen: Wenn die Laien sich bewußt in dieser Frage an die Priestererzieher wenden, an die Bischöfe, an die kirchlichen Gremien, ganz in Ordnung. Wenn aber eine negative Kritik vor Menschen breitgetreten wird, die die Problematik nicht verstehen, und das ist weitgehend hier in Österreich geschehen, dann kann man nicht mehr vom Dialog sprechen.

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