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Das Ende des Schweigens

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Angst, Schweigen, Zensur: Acht Jahre lang wurde Argentinien von diesem Klima beherrscht. Während der Militärdiktatur in den Jahren 1976 bis 1983 waren Sprechen und Zuhören Worte mit gefährlichem Beiklang. Schüler konnten keine Fragen stellen und erhielten auch keine Antworten. Die Tore der Schulen waren für Ideen verschlossen.

Im Jahre 1983 erwachte das Land aus dem Alptraum. In freien Wahlen entschied sich das Volk für eine demokratische Begierung, die erste nach fast zehn Jahren. Die Zeit des Schweigens war vorüber. Nun aber mußten die Argentinier, insbesondere die Kinder, lernen, was Demokratie bedeutet und wie sie mit ihrer neuen Freiheit umgehen sollten.

Kinder, die jünger als acht Jahre waren, hatten noch nie die Luft der Freiheit geatmet. Kinder unter 13 Jahren waren nie in eine freie Schule gegangen. Für sie alle war 1984 das erste Schuljahr unter den Bedingungen der Demokratie.

1987 wurde das Programm „El diario en la escuela" (Zeitung in der Schule) ins Leben gerufen. Getragen wird es vom Verband der argentinischen Regionalzeitungen (ADIBA), dem über 70 Tageszeitungen angehören. Das Programm soll den Schülern das Lesen von Zeitungen nahebringen. Nach den Jahren des Schweigens soll nun die Wirklichkeit in die Klassenzimmer Einzug halten.

Denn Information ist wesentlich für eine Demokratie. Wer über Informationen verfügt, kann Entscheidungen treffen. Informationen bringen die Leute dazu, nachzudenken und sich an der Politik zu beteiligen.

Medien sind eine wichtige Informationsquelle. Dazu gehören auch die Zeitungen. Zeitungen verstärken das Demokratiebewußtsein und das Interesse an Politik. Zeitungsleser wissen mehr über ihre Gesellschaft und haben weniger Schwierigkeiten, Zusammenhänge zu verstehen.

In Printmedien finden sich auch verschiedene Interpretationen und Sichtweisen ein und desselben Ereignisses. Beim Studium von Zeitungen lernen Schüler, daß es mehr als nur eine Sicht der Dinge gibt. Grundprinzipien der Demokratie, wie Pluralismus und Meinungsfreiheit, werden ihnen auf diese Weise vertraut gemacht.

Im Zuge des Programms „Die Zeitung in der Schule" werden den Schülern kostenlos Zeitungsexemplare zur Verfügung gestellt. Weiters beinhaltet das Programm Workshops und kostenloses Unterrichtsmaterial für Lehrer sowie eine wöchentlich erscheinende Rubrik in den beteiligten Zeitungen mit spezieller Information für den Unterricht. Bei einer alljährlich stattfindenden Konferenz versammeln sich 1.000 Lehrer aus allen Landesteilen.

Um die Auswirkungen des Programms zu erforschen, hat die ADIBA eine Studie unter 4.000 elf- und zwölfjährigen Schülern aus Buenos Aires und 14 Provinzen durchgeführt. 45 Fragen betreffend ihren persönlichen Bezug zu Medien, ihr Demokratieverständnis und den Stand ihrer politischen Bildung standen zur Beantwortung. Die Hälfte der befragten Schüler hatte an dem Programm teilgenommen, die andere nicht. Die Unterschiede zwischen den beiden Gruppen waren groß: Jene, die am Programm teilgenommen hatten, verfügten über höhere Kenntnisse und eine demokratischere Perspektive als jene, die nicht am Programm teilgenommen hatten.

Zeitungen besitzen die Macht, die demokratische Kultur der Schüler zu fördern. Angesichts der Zerbrechlichkeit der Demokratie lohnt sich jeder Schritt in diese Richtung.

Die Autorin ist

Generaldirektorin des Programms „Zeitung in der Schule" in Argentinien.

Übersetzt und redigiert von Michael Kraßnitzer.

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