Finanzbildung - © Illustration: iStock/ Denis Novikov (Bildbearbeitung: Rainer Messerklinger)

Finanzwissen: Von der Schule bis zur Pension

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Das Wissen rund um Geldfragen ist Studien zufolge in Österreich bescheiden. Die Leiterin des Wiener Instituts für Wirtschaftspädagogik nimmt im Gastkommentar das Bildungssystem in die Pflicht und plädiert für die schulische Vermittlung grundlegenden Finanzwissens.

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Das Wissen rund um Geldfragen ist Studien zufolge in Österreich bescheiden. Die Leiterin des Wiener Instituts für Wirtschaftspädagogik nimmt im Gastkommentar das Bildungssystem in die Pflicht und plädiert für die schulische Vermittlung grundlegenden Finanzwissens.

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Finanzbildung – ein Thema, das derzeit Hochkonjunktur feiert: Österreich hat endlich eine Nationale Finanzbildungsstrategie, man zählt bereits über 130 Finanzbildungsmaßnahmen und die PISA-Tests enthielten auch einen Teilbereich zur financial literacy der Jugendlichen. In Anbetracht von hoher Inflation, steigenden Zinsen, Schuldenproblemen und steigenden Lebenshaltungskosten hört man aer immer wieder die Forderung: „Wir brauchen mehr Finanzbildung.“

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Sich mit bestimmten Finanzthemen nur einmal in der Schullaufbahn zu beschäftigen, ist für einen langfristig anhaltenden Lernerfolg zu wenig.

Studienergebnisse stützen diese Forderung: Inflation und ihre Auswirkung auf die Kaufkraft erklären? Zu schwer für rund ein Drittel der rund 1500 in Österreich lebenden Menschen, die für eine Studie der Oesterreichischen Nationalbank befragt worden sind. Aber auch das Thema Zinsen ist nicht jedermanns Sache, vor allem beim Konzept der Zinseszinsen ist jede zweite befragte Person überfordert – dabei ist dieses Konzept nicht nur bei Finanzierungen, sondern besonders bei langfristiger Kapitalanlage hoch relevant. Es „hapert“ also im Schnitt bei jeder vierten oder sogar jeder dritten Person bereits an sehr grundlegenden Themen wie Zinsen, Geldwert und Risiko(streuung). Bei etwas anspruchsvolleren Fragen zu Anlageformen, Kursentwicklungen und Zinseszinsen, die auch noch kein Expertenwissen darstellen, weiß nur mehr jeder Zweite Bescheid – schlechte Voraussetzungen für das Bewältigen der finanziellen Herausforderung im Laufe eines Lebens.

Nicht nur in Zeiten der Inflation

Finanzbildung ist aber immer bedeutend, denn finanzielle Herausforderungen begleiten uns unser ganzes Leben. Schon Kinder und Jugendliche treffen Konsum- und Sparentscheidungen, aber auch die Wahl des Bildungsweges und des späteren Berufs sind finanziell relevant. Wer ab 16 wählen geht, entscheidet mit seiner Stimmabgabe zumindest indirekt auch über den weiteren wirtschaftspolitischen Kurs einer Regierung und sollte daher wirtschaftliche Größen und Zusammenhänge, ja das Finanzund Wirtschaftssystem verstehen und diskutieren können.

Ab dem ersten selbst verdienten Geld und dem ersten eigenen Haushalt stellen sich rasch weitere wirtschaftliche Fragen. Nun stehen auch Investitions- und Finanzierungs- sowie Vorsorgeund Versicherungsentscheidungen an. Eine finanziell gebildete Person weiß, dass sie nicht nur an das Heute, sondern auch an die Zukunft denken muss. Und sie versteht, dass ihre Entscheidungen auch Auswirkungen auf andere, ja die ganze Gesellschaft haben.

Finanzbildung beruht nicht nur auf Wissen, sondern auf einem tiefgehenden Verständnis und vielen Fähigkeiten und Verhaltensweisen, bei denen es vor allem um das Planen, das sorgfältige Haushalten, das Einholen und Auswerten von Informationen, das Einschätzen von Chancen und Risiken und das verantwortungsvolle Entscheiden und das Reflektieren über diese Entscheidungen geht. Die Forschung zeigt, dass Personen, die über mehr Finanzwissen verfügen, in der Regel auch bessere finanzielle Entscheidungen treffen, mehr Finanzprodukte kennen, schlechte Konditionen meiden und günstigere nutzen, eher vorausschauend planen, mehr sparen und vorsorgen. Sie haben allerdings insgesamt meist ein höheres Bildungsniveau und damit auch eine bessere Einkommenssituation. Das WU-Institut für Wirtschaftspädagogik hat für einen besseren Überblick einen inhaltlichen Rahmen entwickelt.

Einnahmen und Ausgaben managen zu können, ist die notwendige Grundlage. Wer nicht weiß, wie viel Geld noch am Konto ist und wofür man wie viel ausgibt, hat schlechte Voraussetzungen, seine Finanzen im Griff zu haben. Ein finanzieller Polster ist wichtig für Unvorhergesehenes, aber auch die Voraussetzung für Investitionen und für die leistbare Finanzierung von größeren Anschaffungen. Wer glaubt, dass der eigene Einnahmenüberschuss dafür nicht ausreicht, sollte noch einmal genau seine Ausgaben prüfen. Entscheidend ist nicht nur die Höhe des Betrags, der monatlich übrigbleibt, sondern auch, mit welchem Alter man beginnt, ihn auf die Seite zu legen und was man damit macht. Bei Anlageformen mit höheren Renditen scheuen viele wegen des vermuteten Risikos zurück. Finanzwissen hilft, das Risiko (und die Nutzung von Chancen) realistisch einzuschätzen – vor allem, wenn man nicht kurzfristig denkt und über viele Jahre vom Zinseszinseffekt profitiert.

Leider ist nicht gewährleistet, dass Kinder und Jugendliche zu Hause gute Vorbilder im Umgang mit Geld erleben und mit Erwachsenen über ihre Fragen rund um Geld sprechen können. Umso wichtiger ist es, in der Schule ein Mindestmaß an Finanzbildung zu entwickeln, um Bildungsunterschiede zumindest ein Stück weit ausgleichen zu können. Da Kinder schon sehr früh eine Reihe von finanziellen Entscheidungen treffen und sich Gedanken über Geld machen, sollte die schulische Finanzbildung bereits in der Grundschule kindgerecht an den Alltagserfahrungen der Kinder anknüpfen und kontinuierlich bis zum Ende der Schulpflicht weiterentwickelt und vertieft werden. Sich mit bestimmten Finanzthemen nur einmal in der Schullaufbahn zu beschäftigen, ist für einen langfristig anhaltenden Lernerfolg zu wenig. Es braucht praxisorientierte Beispiele und Aufgaben, bei denen die Schülerinnen und Schüler „ins Tun kommen“. Darum unterstützt das Institut für Wirtschaftspädagogik auch Lehrpersonen in der Sekundarstufe mit ihren dafür ausgebildeten Finanzbildungscoaches und qualitätsgeprüften Unterrichtskonzepten. Für jedes Thema des erwähnten Rahmenmodells für Finanzbildung kann online ein Finanzbildungscoach angefragt werden, der dieses Thema dann in der jeweiligen Klasse der Lehrperson unterrichtet.

Eine lange Hochkonjunktur

Auch im Erwachsenenalter braucht es weitere Möglichkeiten, sich sachgerecht informieren zu können – besonders in Lebenssituationen, in denen große finanzielle Entscheidungen anstehen: beim ersten Job, bei Kauf oder Miete von Immobilien, bei der Gründung einer Familie, bei der Finanzierung der Mobilität, bei großen beruflichen Schritten (etwa einer Unternehmensgründung) und bei der Vorsorge für die Pension. Die Nationale Finanzbildungsstrategie wird hier gemeinsam mit allen Organisationen, die ihre Maßnahmen in die Strategie einbringen und an ihr mitwirken, eine wichtige Rolle spielen. Die Hochkonjunkturphase des Themas Finanzbildung wird eine lange sein.

Die Autorin ist Leiterin des Instituts für Wirtschaftspädagogik an der Wirtschaftsuniversität Wien.

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