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Und die Gründe?

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Von vielen maßgeblichen Persönlichkeiten wird nun gefordert, die Ursachen nicht in der ablehnenden Haltung der Gesellschaft gegenüber dem Priesterberuf zu suchen, sondern vor allem in der mitunter antiquierten Erziehung in den Seminarien. Überhaupt wird die ganze Linie der Erziehung in den kleinen und großen Seminarien scharf kritisiert, weil sie — so die Stimmen der Kritiker — den Fragen und Forderungen der heutigen jungen Menschen entweder keine oder nicht genügende Beachtung schenken.

Tatsächlich wird in den großen Seminaren in den Grundprinzipien noch immer die Bildungsanstalt, wie sie das tridemtinische Konzil gefordert hat, als Hauptaufgabe gesehen. Da sich inzwischen die Gesell- schaftsstruktur grundlegend geändert hat, ergeben sich aus dieser Diskrepanz oft schwerwiegende Folgen. Man hat verschiedentlich versucht, von diesen Grundprinzipien abzugeben, ohne jedoch den Mut aufzubringem, eine vollständige und grundlegende Reform der Semi- narerziehung in Angriff zu nehmen un!d durchzudenken. So bleiben alle Verbesserungsversuche unzulänglich in der Mitte des Weges stecken und befriedigen niemanden.

- Durch die Untersuchungen des Rapportes ergibt sich eine besondere Fraglichkeit auf dem Gebiete der kleinen Seminarien. Aus einer großen Anzahl von Enqueten in verschiedenen westeuropäischen Ländern geht nämlich hervor, daß von der Jahrhundertwende bis nach dem zweiten Weltkrieg die Berufung zum Priestertum im 10. bis 12. Lebensjahr gefallen ist, während sie heute im allgemeinen im 16. bis 18. Lebensjahr gefaßt wird. Besonders die vergleichsweise sehr günstige Entwicklung der Spätberu- fenenseminarien scheint dies zu bestätigen, rückt doch das Jahr der Berufsentscheidung immer weiter hin-

tritte aus den Seminarien werden immer mehr.

Seit 1960 steigt die Pries,terzahl nicht mehr in demselben Verhältnis wie die Bevölkerungsziffer. Eine ausgesprochen günstige Entwicklüng nimmt die Zahl der Spätberufenen.

Eine mittelmäßige Entwicklung ist in der Schweiz zu verfolgen. Im Jahre 1960 besaß die Schweiz 5170 Priester. Aber auch in diesem Land bleibt der Prozentsatz der Priesterberufe hinter dem des Bevölkerungszuwachses zurück. Seit 1961 übersteigt die Sterblichkeitsziffer die Neuweihen. Ab 1970 erwartet man auch in diesem Land eine Überalterung des Klerus.

auf und bewegt sich langsam gegen 20 bis 24 Jahre. Überhaupt wird diese Entwicklung die gesamte, derzeit übliche Priesterbildung in Frage stellen, da es wenig sinnvoll erscheint, die zukünftigen Priester von der Welt abzusondern und auf eine Entscheidung hin zu orientieren, die rein psychologisch in diesem Alter noch gar nicht gefaßt werden kann. Überdies wird die Frage zu stellen sein, ob ein Priester für seine Aufgabe geeignet sein kann, wenn er nicht dauernden Kontakt mit der Welt hat.

Nach der gesellschaftlichen Struktur dürfte nach der Meinung vieler Experten ein weiterer Grund des Rückganges der Priesterberufe in der Krise des Verhaltens der Kirche zur Welt zu suchen sein, die sich in der Krise des Verhaltens des Priesters zur Welt manifestiert. Viele junge Leute haben noch immer das Priesterbild der vergangenen Zeit vor Augen und fühlen sich daher in keiner Weise von diesem Beruf angezogen.

Ein Experiment

Durch die Entwicklung der letzten Jahrzehnte hat der Priester seine Stellung als übergeordnete Instanz des geistigen und sozialen Wohlbefindens verloren und wurde innerhalb seiner Glaubensgemeinschaft mehr oder weniger zum Liturgen und Diener. Die an und für sich positive Entwicklung bringt es aber mit sich, daß verschiedene Gründe, also z. B. ein höherer sozialer Stand, die noch vor kurzer Zeit einen Menschen bewogen, den Priesterberuf zu ergreifen, nicht mehr gelten. In verschiedenen Ländern dürfte auch einer der Gründe in dem rein menschlich niedrigen Lebensniveau liegen. Die Armut vieler Weltpriester in Italien und Frankreich und auch Skandinavien unterdrückt mitunter jede Entscheidung und kann auch nicht mit dem Hin-

weis auf die apostolische Armut vergessen gemacht werden.

Alle diese Unterlegungen führen zu dem Schluß, daß auf Grund der Überleitung der traditionell geschlossenen christlichen Gemeinde zu einer offenen, pluralistischen und religiös weniger engagierten Gemeinschaft verschiedene Priestertypen notwendig sind, um den sehr verschiedenen Fragen der Welt gegenübertreten zu können.

Die Koexistenz verschiedener gesellschaftlicher Phasen innerhalb eines Landes, einer industriellen Zone, wissenschaftlicher und kultureller Zentren und Agrargebiete, verlangen von der Kirche verschiedene Priestertypen. Es wird sich nicht umgehen lassen, daß hier die tridentinischen Richtlinien diskutiert werden müssen.

„Pro mundi vita“ schlägt zu diesem Punkt ein neues Experiment vor. Die Vorbereitungszeit könnte es doch möglich machen, daß die Studien, so wie es ja auch an anderen Fakultäten geschieht, durch Abendkurse absolviert werden. Dasselbe sollte auch für Kandidaten gelten,

die bereits eine akademische Bildung abgeschlossen haben. Die Frage, ob es sinnvoll ist, jemand nach fünf Jahren Hochschulstudiums nochmals zu fünf Jahren Seminarerziehung zu verpflichten, besteht sicherlich zu Recht.

Alle diese Probleme sind bedeutend und müssen gelöst werden, ehe die Krise zur Katastrophe wird.

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