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Unhaltbare Professorenbezüge

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Die Arbeit des Universitätsprofessors gehört zu den höchstqualifizierten geistigen Arbeiten in einem Staate. Eine Universität soll durch ihren Forschungsbetrieb nicht nur eine Leuchte sein, von der Wirtschaft, Verwaltung, das ganze Gesellschafts- und Kulturleben Anregung und Förderung beziehen, sie ist durch ihre Lehrfunktion auch die Bildnerin der heranwachsenden geistigen Elite, der künftigen Führer in Staat, Wirtschaft und Gesellschaft. Diese beiden Funktionen legen dem Universitätsprofessor ein ganz anderes Verbrauchsschema auf, als einem anderen geistigen Arbeiter und viel mehr natürlich noch als einem manuellen.

In Spalte 1 und 2 der Tabelle 1 finden sich die Gehaltsansätze ordentlicher Professoren verschiedener Typen des Familienstandes und der Kinderzahl jeweils nach der niedrigsten und höchsten Gehaltsstufe und dem arithmetischen Durchschnitt der beiden dargestellt. Die Gehaltsansätze des Jahres 1951, von den Oktoberbezügen 1951 auf ein Jahr bezogen, liegen nominell zwar durchaus über den Ansätzen von 1937, doch zeigen die auf Kaufkraftschillinge von 1937 nach dem amtlichen Kleinhandelspreisindex für September 1951 — 643 umgerechneten Zahlen für 1951 Abstiege auf zwischen 59 und 68 Prozent. Das ist die klare

In allen Kulturstaaten, die sich der Bedeutung der Wissenschaft und des Universitätsprofessors bewußt sind, ist zu allen Zeiten und an allen Orten die Einkommenspolitik des Staates darauf bedacht gewesen, dem Universitätsprofessor eine sorgenfreie, ruhige Existenz zu gewährleisten. Nur dem alten Kulturstaat Osterreich ist es vorbehalten geblieben, den Einkommensverhältnissen des Universitätsprofessors eine Entwicklung zu geben, die in der Kulturwelt ein trauriges Kuriosum darstellt.

Einige Zahlen der zwei beigefügten Tabellen mögen das beleuchten.

Folge davon, daß jene Ansätze nicht dem Ausmaß der durch die obige Preisindexziffer ausgedrückten Verteuerung der Lebenshaltung gefolgt sind, sondern eine viel geringere Steigerung aufweisen, wie die Meßzahlen der Grundgehälter in Spalte 7 der Tabelle 2 erkennen lassen. Sie erfuhren im Durchschnitt eine Steigerung auf das 3,8- bis 4,4fache, während die Lebenshaltungsmeßzahl von 1937 auf September 1951 auf das 6,4fache gestiegen ist und wegen des seit September vor sich gegangenen weiteren Preissteigerungsprozesses auch noch weiter gestiegen sein dürfte. Das ergibt, auf Kaufkraftschillinge von 1937 umgerechnet, zunächst eine Herabminderung auf die in Spalte 3 und 4 der Tabelle 1 beigefügten Zahlen.

Ein Vergleich der schematischen Ansätze mit dem Durchschnitt der wirklichen Bruttobezüge der derzeitigen aktiven Ordinarien ist nur für 1951 möglich, da die Belege für die Gehälter von 1937 im ausgebombten Philippshof zugrunde gegangen sind. Während die schematischen Ansätze unserer Spalte 2 zwischen 47.947 S und 88.241 S lagen, ergab sich lür die aktiven Ordinarien ein Gehalts-durchschnitt von 74.495 S, also ein Durchschnitt, der dem oberen Betrag näher lag. Das erklärt sich daraus, daß die Mehrzahl der Professoren in einem höheren Alter, also auch in einer höheren Gehaltsstufe als der Durchschnittsstufe standen und zum Teil auch größere Kinderzahlen aufwiesen, als in unserer schematischen Ubersicht verzeichnet ist.

Die Bezüge des Universitätsprofessor« bestehen nun nicht allein aus seinem Gehalt, sondern auch aus den Nebengebühren, Kollegiengeldern und Prüfungstaxen. Für diese ergaben sich an der juridischen Fakultät folgende Beträge:

1951

1937 S in Kaufkraft von 1951 1937

durchschn. Kollegiengeld . . 1754 S 2246 S 349 S durchschn. Prüfungstaxen , . 5722 . 4386 . 682 „

Summe . 7476 S 6632 S 1031 S Die Sätze der Kollegiengelder und der Prüfungstaxen dürften wohl in Österreich die einzigen Einkommensquellen sein, die trotz der gewaltigen Verteuerung der Lebenshaltung seit 1937 keine Spur von Aufwertung erfahren haben. Die kleinen Änderungen in den obigen Erfolgszahlen kommen von Änderungen in den Zahlen der Hörer und der Prüfungskandidaten: etwas mehr inskribierte Hörer, etwas weniger Prüfungskandidaten. Im Durchschnitt ergab sich schon rein nominell ein Rückgang der Nebengebühren des ordentlichen Professors von 1937 auf 1951, um so stärker natürlich unter Berücksichtigung der Kauf-kraftschmälerung des Schillings 1951 gegenüber 1937, wie aus der dritten Spalte der Übersicht hervorgeht.

Unter Verwendung dieser Zahlen gelangen wir in den Spalten 5 und 6 der Tabelle 1 zu den (rechnungsmäßigen) Jahresgesamtbezügen 1937 und 1951 eines ordentlichen Universitätsprofessors, die für 1951 nach der schematischen Berechnungsweise zwischen 54.579 und 94.873 S, in Wirklichkeit bei den derzeit aktiv wirkenden Ordinarien der rechts-und staatswissenschaftlichen Fakultät, durchschnittlich 81.098 S betrugen.

Die Nebengebühren machten nun, wie aus Tabelle 2, Spalte 3 und 6 ersichtlich ist, im Jahre 1937 zwischen rund 40 und 25 Prozent, im Durchschnitt etwa ein Drittel der Gesamtbezüge aus, im Jahre 1951 nur noch zwischen rund 12 und 7 Prozent, im Durchschnitt unter 10 Prozent, an den wirklichen Gesamtbezügen der jetzt aktiven Professoren gemessen nur 8 Prozent, aus. Eine Folge dieses Herabsinkens des Wertes eines einst wesentlichen Teiles der Gesamtbezüge ist die nominelle Steigerung der Gesamtbezüge von 1937 bis 1951 auf 3,0 bis 3,1 Prozent. (Spalte 8 der Tabelle 2). Dieser geringen Steigerung der Nominalbezüge bei einer durchschnittlichen Preissteigerung auf das 6,4fache entspricht die in Spalte 8 der Tabelle 1 dargestellte Herabdrückung der

Realbruttobezüge der Professoren auf 45 bis 48 Prozent, also unter die Hälfte von 1937. Die Bezüge von 1937 waren keinesfalls glänzend zu nennen, wenn wir sie mit den damaligen Professorenbezügen anderer Kulturstaaten, besonders auch des Deutschen ReieheSj “vergleichen. Durch die vorliegende Entwicklung sind diese Unterschiede noch verschärft worden.

Dabei ist die obige Darstellung noch als optimistisch zu bezeichnen.

Es sind drei Umstände, die unsere Zahlen als viel zu günstig erscheinen lassen: %

1. Aus Gründen der Berechnung konnten für 1951 nur nach den Oktoberbezügen 1951 errechnete Beträge verwendet werden, also Beträge, die im Hinblick auf die vorausgegangenen Änderungen über dem tatsächlichen Professoreneinkommen für 1951 lagen. Wenn die Professoren diese Beträge als Jahresbezüge wirklich erhalten werden, wird die ohnedies um einen Monat nachhinkende Preismeßzahl unterdessen wieder weiter hinaufgeklettert sein und die Realbezüge unter das hier dargestellte Ausmaß herabgedrückt haben.

2. Der den obigen Berechnungen zugrunde gelegte Lebenshaltungsindex beruht überwiegend auf Nahrangsmittel-und Wohnungsausgaben, die Preisbeschränkungen unterliegen. Die Aus-; gaben des Universitätsprofessors liegen aber zum großen Teil auf Gebieten, deren Preisentwicklung keine Schranken fand.

3. Die vorstehende Berechnung hätte ein noch ungünstigeres Ergebnis zeitigen müssen, wenn es möglich gewesen wäre, den vergleich an den Nettobezügen der Universitätsprofessoren durchzuführen. Österreich hat, wie allgemein bekannt, ein System der Einkommensbesteuerung von einer unerhörten Schärfe der Progression. Jedes Aufsteigen des nominellen Einkommens in eine neue Einkommensstufe bewirkt ein höheres Einkommensprozent, daher einen nicht nur absolut, sondern auch relativ größeren Einkommensabzug. So wird auf der anderen Seite größtenteils oder ganz wieder genommen,, was auf der einen Seite als Preissteigerungsausgleich gegeben wurde.

Besonders aufreizend wird die Sache, wenn wir die Einkommensentwicklung bei anderen Berufsgruppen betrachten. Nach dem Septemberheft der Monatsberichte des Instituts für Wirtschaftsforschung, Seite 420, haben die Nettodurchschnittslöhne der Arbeiter seit April 1945 zugenommen:

Facharbeiter auf das 6,09fache.

Hilfsarbeiter auf das 8,26fache.

Arbeiterinnen auf das 7,66fache.

Da nach den Aufstellungen des Statistischen Zentralamtes die Lebenshaltungskosten von April 1945 um 4 Prozent übeT denen von 1937 lagen, sind die obigen Angaben noch entsprechend erhöht zu denken, wenn wir sie auf 1937 beziehen. Es ist ferner zu berücksichtigen, daß in diese Durchschnitte viele Lohnsteigerungen eingegangen sind, die höher als die Durdischnitte lagen (was mangels neuester Veröffentlichungen über Lohnstatistik nicht im einzelnen ausgeführt werden kann). Jedenfalls geht aus den Zahlen hervor, daß es der österreichischen Arbeiterschaft gelungen ist, ihre Reallöhne von 1937 nicht nur zu behaupten, sondernrielfach .auch noch zu erhöhen, was ihr vom Herzen gegönnt sei. Ähnliches kann jeder von uns auch ohne statistische Unterlagen auch bei anderen Erwerbsschichten feststellen. Es gehört nun die ganze staatsbürgerliche Wohlerzogenheit, vornehme Zurückhaltung und Selbstentäußerung des Standes der österreichischen Universitätsprofessoren dazu, um diese Zurücksetzung zu ertragen, ohne Abwehrmittel anzuwenden, wie es andere

Bevölkerungssdiichten an ihrer Stelle längst getan hätten. Um so mehr erscheint es als eine Ehrenpflicht des Staates, hier sofort und ausgiebig Ordnung zu schaffen. Es könnte sonst doch ein Zeitpunkt kommen, da auch die Professorenschaft sich zu einer wirksameren Abwehr der fortlaufenden materiellen Herabdrückung gezwungen sähe —, im Interesse der Erhaltung ihres Standes, im Interesse der Wissenschaft.

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