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Wahlrecht für die Eltern

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Solche freimütige Diskussionen sind gewiß erfreuliche Zeichen einer offenherzigen ehrlichen Meinungsäußerung, wenn sie auch manchen konservativen Katholiken leicht zu verwirren vermögen oder ihm bisweilen gar den Atem verschlagen dürften. Sie stoßen denn auch in vielen Kreisen auf heftigen Widerstand.

Die treuen Anhänger und Verteidiger der konfessionellen Schulen sind nach wie vor der Überzeugung, daß die „offene Schule“ nur eine gar frostige, farblose, flache, schale und dürftige Lehranstalt sein könne. In ihren Augen ist die katholische Schule für katholische Kinder unerläßlich und unersetzlich. Die Religion zu einem geistigen Erlebnis werden zu lassen, so daß sie das gesamte Leben wie ein Sauerteig durchdringe, das gehöre zum eigensten Aufgabenbereich der konfessionellen Schule. Was könne man schon von einem Gespräch über Religion und weltanschauliche Fragen erwarten, das Jugendliche im Alter von 6 bis 14 Jahren führen? Auch die älteren Jahrgänge würden sich in den meisten Fällen und ohne zuverlässige Führung in unreife, abwegige Diskussionen verirren. Der Religionsunterricht gelange in „offenen Schulen“ nicht zu seinem Recht. Auf keinen Fall aber dürfe man die Eltern der Freiheit berauben, für ihre Kinder die Schule zu wählen, „welche sie als die richtige erkannt haben“.

„Gemäßigte“ zwischen den Fronten

Zwischen diesen Fronten der rücksichtslosen Angreifer und der unbeirrbaren Verteidiger der konfessionellen Schulen steht eine Gruppe „Gemäßigter“, die manches Unzweckmäßige im alten Schulsystem von der Zeitentwicklung zwar als überholt ansieht und zugibt, daß die konfessionelle Schule sich in der jetzigen Gestalt auf die Dauer kaum behaupten könne, die aber mit Bedacht und Vernunft zu Werke gehen möchte und erst nach und nach die notwendig gewordene Reform durchzuführen gedenkt.

Die allgemeine geistige und kulturelle Bildung der Jugend von der Elementarschule bis zur Universität kann nach allgemeiner Ansicht auf ein festes religiöses Fundament nicht verzichten, und dieses verbürgen nur die auf konfessioneller Grundlage errichteten Schulen.

Im spezialisierten Berufsunterricht sei die Religion allerdings von untergeordneter Bedeutung, weil es ja weder eine katholische Buchführung noch eine protestantische Technik gebe. Die Religionsstunde dürfe nicht prävalieren, wenn die Effi-ciency des allgemeinen Unterrichts dies unerwünscht erscheinen lasse und dessen Entwicklung dadurch gehemmt werde.

In kleineren und abgelegenen Ortschaften, wo nur eine Elementaroder Mittelschule lebensfähig ist, solle man den Unterricht nicht in unverantwortlicher Weise verschnippeln, indem in blindem Übereifer mehrere Privatschulen gegründet werden, die keine Existenzmöglichkeiten haben, jedenfalls dem Erfolg und den Ergebnissen im Weg stehen. Man sehe aber nicht ein, warum in größeren Orten, wo die Einwohnerzahl mehrere Schulen derselben Gattung erforderlich mache, den unterschiedlichen Bevölkerungsgruppen diese Gesinnungsschulen vorenthalten werden sollten.

Hoffnung auf das Mammutgesetz

Wie sich die heutigen Wünsche und Bestrebungen einmal praktisch auswirken werden, ist im Augenblick noch schwer zu sagen. Das sogenannte Mammutgesetz, eine Unterrichtsreform des jetzigen Ministerpräsidenten Cals, die im Jahre 1968 in Wirkung treten wird, ist ein Versuch, die Koordinierung und Integration des Schulwesens zu fördern. Vielleicht wird sich im Zusammenhang mit den bevorstehenden Neuerungen auch eine zweckmäßige Reform der Privatschulen durchführen lassen und eine weithin befriedigende Lösung der diesbezüglichen Fragen und Schwierigkeiten gefunden werden.

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