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Wenn Frauen an eine „gläserne Decke“ stoßen

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Frauenministerin Dohnal schrieb das Vorwort zur neuen Studie „Versteckte Diskriminierungen“, in der es um frauenspezifische Diskriminierungen am Arbeitsplatz geht.

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Frauenministerin Dohnal schrieb das Vorwort zur neuen Studie „Versteckte Diskriminierungen“, in der es um frauenspezifische Diskriminierungen am Arbeitsplatz geht.

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Renate R. hat 15 Jahre bei einer Bank am Schalter gearbeitet. Dann setzt sie aus gesundheitlichen Gründen ein Jahr lang aus, bewirbt sich neu. Die Bewerbung wird abgelehnt, Frau R. angeboten, als „Springerin“ zu arbeiten. Frau R. ist entsetzt, als „Springer“ werden gewöhnlich Anfänger beschäftigt. Dann nimmt sie an, „weil ich nicht wollte, daß man glaubt, ich sei nicht kooperativ“. In den nächsten fünf Jahren bewirbt sie sich viermal um frei werdende Stellvertretungspositionen. Vergeblich, jedes Mal wird ein Mann vorgezogen. Heute, nach 30 Jahren im selben Institut, leitet Frau R. eine Minifdiale, aber „auch nur deshalb, weil sich kein Mann dafür beworben hat und die Filiale außerdem sehr abgelegen ist“.

Frau R. ist immer noch kein Einzelschicksal. Die Studie über „Versteckte Diskriminierungen“, mit der die am Salzburger Institut für Alltagskultur tätigen Wissenschaftlerinnen Erika Pirker und Birgit Buchinger jetzt an die Öffentlichkeit getreten sind, liefert den Beweis für die berühmte „gläserne Decke“: Jene unsichtbare Sperre, die Frauen nach wie vor und trotz aller formalrechtlicher Bestimmungen zur Gleichbehandlung am Aufstieg in bessere oder gar „top-Positionen“ im Beruf hindert. Auf Anregung der österreichischen Gleichbehandlungs - anwältinnen und beauftragt vom Bundesministerium für Frauenangelegenheiten haben Pirker und Buchinger über 14 Monate hinweg in einem Geldinstitut, einem Betrieb zur Nahrungsmittelproduktion und einem Handelsunternehmen geforscht. Dabei haben sie nicht nur „versteckte Diskriminierungen“ aufgespürt, sondern auch einer Reihe von zugrundeliegenden Strukturen „die Tarnkappe entrissen“: „Verant?- wortlich für die Unterdrückungen ist ein ganzes Bündel von Faktoren, eine riesige Zahnradmaschine.“ Und - die vielleicht einjlrücklichste Beobachtung: „Frauen verhalten sich entsprechend dieser Diskriminierungsmaschine.“

Der Fall der Renate R. steht für eines der enttarnten Zahnrädchen im Diskriminierungsgetriebe, die Art und Weise nämlich, wie in Betrieben Einstufungen verlaufen. Im untersuchten Geldinstitut etwa werden zwar Frauen und Männer mit gleicher Qualifikation bei Betriebseintritt auch gleich eingestuft. Während es aber fast allen männlichen Mitarbeitern gelingt, immer weiter aufzusteigen, bleiben die weiblichen Angestellten zu 80 Prozent in der nächst höheren Besoldungsgruppe hängen. Pirker: „Frauen werden nicht auf die Überholspur auf der Karriereleiter gelassen.“

„EMANZE ODER BEISSZANGE“

Dafür sorgt auch die geschlechtsspezifische Verteilung von Tätigkeiten. Wieder wird die Diskriminierung erst auf den zweiten Blick sichtbar, diesmal im Handelsunternehmen: Frauen werden dort zwar immer mehr zu Beratungs- und Ausbildungstätigkeiten herangezogen, mehr Geld oder den entsprechenden Aufstieg bringt das aber nicht.

Zusätzliche Erschwernis birgt für Frauen die steigende Flexibilisierung von Arbeit und Arbeitszeit. Im Geldinstitut etwa wird der Ausbau der Teilzeitarbeit entsprechend der Kundenfrequenz weitgehend mit Hilfe der bereits bekannten „Springer“ geregelt. Die Verweildauer von Männern in dieser Position beträgt im Schnitt ein halbes Jahr, ehe sie einen „Stammplatz“ übernehmen. Frauen bleiben dort dreimal so lang.

Eines der entscheidendsten Rädchen der Diskriminierungsmaschine steckt nach Pirker und Buchinger aber in den betrieblichen Kommunikationsstrukturen. Strategiebesprechungen am Stammtisch oder, längst nicht mehr unüblich, im Striptease-Lokal, gemeinsame sportliche Unternehmungen der leitenden Herren - das sind die „informellen Netzwerke“, in denen die nötigen Steighilfen von Mann zu Mann gereicht werden. Frauen bleiben systematisch ausgeschlossen. „Ihnen wird gar nicht signalisiert, daß sie für einen Aufstieg in Frage kommen“, so Buchinger. Signalisiert wird allenfalls ein Frauenbild, das von männlich geprägten Weiblichkeitsstereotypen strotzt: „Emanze oder Beißzange“, …

Das Fazit von Buchinger und Pirker: „Männer können sich der Fußstapfen bedienen, die andere Männer vorgetreten haben, alte Seilschaften helfen, sich identitätskonform nach oben zu hanteln. Frauen dagegen sind Erstbesteigerinnen. Und das macht angst. Es bedeutet, geschlechtsspezifische Identifikationsmuster zu verlassen.“

Von ihrem ursprünglichen Ziel, der Entwicklung von Maßnahmen für die betriebliche Frauenförderung, haben die beiden Wissenschaftlerinnen mittlerweile abgesehen: „Das wäre nur Symptombehandlung“. Ihre neue Stoßrichtung: „Die Sensibilisierung von Frauen im Betrieb. Frauen müssen lernen, sich als Autorität anzuerkennen, unabhängig von Männern.“ Eine Folgestudie ist bereits geplant, und für Betriebsrätinnen ein „Leitfaden zur Erkennung von versteckten Diskriminierungen im Betrieb“.

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