Bienen - © llustration: Rainer Messerklinger (Unter Verwendung eines Fotos von iStock/Petardj)

Andreas Salcher: „Können die Mitarbeiter miteinander lachen?“

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Die Gesellschaft ist erschöpft. Doch was ist der Ursprung dieser kollektiven Überlastung? Der Autor Andreas Salcher sucht ihn vor allem in der inneren Einstellung – und nicht in den vielen externen Krisen.

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Die Gesellschaft ist erschöpft. Doch was ist der Ursprung dieser kollektiven Überlastung? Der Autor Andreas Salcher sucht ihn vor allem in der inneren Einstellung – und nicht in den vielen externen Krisen.

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Andreas Salcher ist ehemaliger ÖVP-Gemeindepolitiker, Mitbegründer der Sir-Karl-Popper-Schule, Berater und Autor. In seinem neuen Buch „Die große Erschöpfung“ (edition a) beschäftigt sich Salcher mit der inneren Einstellung, die auch in Krisenzeiten eine sehr große Rolle spielt, und mit der Burn-out-Gefahr, die vor allem bei Lehrerinnen und Lehrern besonders groß ist.

DIE FURCHE: Warum fasziniert Sie ausgerechnet das Thema Erschöpfung?
Andreas Salcher:
Spätestens seit der Pandemie habe ich in meiner Arbeit als Unternehmensberater von Kunden immer öfter das Wort „Erschöpfung“ gehört. Eltern, die mit Job, Haushalt und Distance-Learning der Kinder gefordert waren, Führungskräfte, die von acht bis 23 Uhr in Onlinemeetings sitzen, systemrelevante Arbeitskräfte, die bis zum Umfallen arbeiten. Als dann Krieg und Inflation dazukamen, war klar: Sehr viele Menschen fühlen sich erschöpft. Woran liegt das wirklich? Und was können wir dagegen tun?

DIE FURCHE: Sie diagnostizieren in Ihrem Buch, die Gesellschaft unterliege im Bezug auf Erschöpfung und Arbeit einigen Mythen. Welche sind das?
Salcher:
Der erste Mythos ist, dass die vielen externen Krisen der Grund für die gefühlte Erschöpfung vieler Menschen sind. Eigentlich verstärken die Krisen aber nur die Folgen von falschen Entscheidungen, die wir Menschen treffen.

DIE FURCHE: Welche Entscheidungen etwa?
Salcher:
Das hat viel mit übertriebenem Perfektionismus zu tun. Wir glauben, in allen Lebensbereichen alles richtig machen zu müssen, posten unser Leben in sozialen Netzwerken und holen uns das Selbstwertgefühl dann von den Likes auf unseren Postings. Wir müssen wieder lernen, Nein zu sagen, egal ob es um berufliche oder gesellschaftliche Angelegenheiten geht. Gerade bei Letzteren sollte man sich zwei Fragen stellen: Muss ich es tun? Will ich es tun? Wenn ich beides mit Nein beantworten kann, dann sollte ich es auch nicht tun.

DIE FURCHE: Sie schreiben, dass Erschöpfung nicht von Anstrengung komme. Woher denn sonst?
Salcher:
Sie kommt von fehlendem Sinn und zu wenig Selbstbestimmung. Eine Studie der Arbeitsgruppe der Stadt Potsdam beweist das: Dort wurde die Stressbelastung von Jungunternehmern, Feuerwehrleuten, Polizisten, Krankenpflegern und Lehrern untersucht. Das Ergebnis: Die Lehrer waren mit Abstand am öftesten von Stress und Burn-out betroffen, die Jungunternehmer, die objektiv gesehen mit ihrer ganzen Existenz von ihrem Job abhängen und sehr lange Arbeitstage haben, waren am seltensten betroffen. Die Forschung kann das erklären: Stress ist ein subjektives Phänomen, vor allem die gefühlte Sinnlosigkeit des eigenen Tuns und fehlende Selbstbestimmung lösen ihn aus. DIE FURCHE: Sind die Lehrer in der Studie nicht einfach ausgebrannt von einem durchaus herausfordernden Beruf? Salcher: Das würde man vielleicht erwarten, tatsächlich konnte die Studie aber noch ein verblüffendes Detail liefern, das dem widerspricht. Der Anteil der Burn-out-gefährdeten Lehrer, die schon 35 Jahre im Beruf sind, war gleich hoch wie der Anteil bei Lehramtsstudierenden. Diese Menschen sind nicht durch den Job ausgebrannt, sondern waren nie für ihn geeignet.

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