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Geradezu sensationelle Ergebnisse seheint der soeben im Gang befindliche Mikrozensus betreffend den Wohnungsbedarf zu erbringen. Nahm man in Politikerkreiisen und bei den Wohnungswirtschaftlern bisher an, man müßte noch über Jahr-zehnrte hinaus Wohnungsbau im größten Stil betreiben, um die quan-

titative Wohnungsnot zu beseitigen, sollen die ersten von ihrem Mikro-zensusbefragungen heimkehrenden Beamten des Statistischen Zentralamtes festgestellt haben, in weiten Kreisen unseres Landes beistehe kaum mehr eine echte Nachfrage nach einer neuen Wohnung. Angesichts derartiger schockierender Ergebnisse und der Tatsache, daß wenn schon, dann hauptsächlich ein qualitativer Wohnungsfehlbestand bestehe, fand in der vergangenen Woche der Verbandtag gemeinnütziger Wohnungsunternehmungeö in Wien statt.

Zwar argumentierte man von Seiten der Gemeinnützigen, daß im Jahre 1967 die bisher größte Bauleistung nach dem Krieg erbracht wurde, aber der unbeamtenhaft quicklebendige Oberrat Dr. Otto Lackinger aus Linz belehrte die versammelten hauptamtlichen und ehrenamtlichen Funktionäre der Bauvereinigungen aus ganz österrech, auch die gemeinnützige Wohnungswirtschaft werde in Hinkunft um ein Marketing kaum mehr herumkommen. Die Tatsache, daß Marktforschung auch auf dem bisher stark subventionierten Wohnbausektor Platz greifen muß, geht daraus hervor,

• daß im österreichischen Wohnbau auch in Ballungsräumen in den letzten Jahren Schwierigkeiten in der Absetzbarkeit der Wohnungen auftraten,

• daß verschiedentlich Wobnungs-unternehmungen auf freiffinanzlerten und daher teureren Wohnungen die vielfach nur zur Auslastung des Büroapparates übernommen wurden, sitzenblieben,

• und daß schließlich auch öffentlich geförderte Wohnungen zu relativ günstigen Konditionen in weniger attraktiven Gegenden Ladenhüter blieben.

Natürlich meinte Dr. Lackinger, müsse man an eine Marktforschung auf dem Wohnbausektor sehr kritisch herangehen, denn der Österreicher würde bei nur oberflächlicher Befragung, so der Linzer Oberrat: „In attraktivster Wohnlage (Cotta-ge) mit großer sechszimmriger Wohnung, mitten im Grünen, lärmfrei, aber doch in unmittelbarer Nähe des Stadtzentrums, zu billigsten Preisen, bei bester Ausstattung der Wohnungen“, als Idealwunsch für die zukünftige Wohnung angeben.

Aber nicht, um derartige Traumbilder zu erreichen, soll Marktforschung betrieben werden, sondern um jene Gebiete zu umreißen, wo noch ein echter Wohnungsbedarf besteht. Denn im Wettrennen um die öffentliche Wohnbauförderung hatte ebenso wie um die Industrieförde-

rung jede Gemeinde ihr mit Steuermitteln errichtetes Hochhaus gefordert. (Lackinger: „Jedem Dörflein sein Fabriklein auf dem Wohnbausektor“.)

Ohne Marktforschung hatten schon die gemeinnützigen Wohnungsbauer festgestellt, daß „sich im steigenden Maße die Nachfrage nach Wohnungen bemerkbar mache, die hinsichtlich Lage und Ausstattung dem im Westen erreichten Standard entspreche. Damit, so meint der Verband der gemeinnützigen Wohnungswirtschaft, stelle sich von selbst der Kreis jener Aufgaben, den in Zukunft dieser Wirtschaftszweig zu bewältigen haben wird. So befaßte sich dieser Verbandtag auch nicht mit herkömmlichen Themen, sondern neben dem schon zitierten Lackinger-Referat dozierte Wiens Stadtplaner Dr. Georg Con-ditt über Fragen der Raumordnung, und Dr. Heinz Stadler, Krems, über soziologische Probleme des Wohnungsbaues.

Die Tatsache, die ächon Lackinger in seinem Referat erAvähnt hatte, daß schon vielfach am Bedarf vorbeigebaut wurde, kam nunmehr auch im Stadlers Ausführungen zum Durchbruch, denn, so meinte Stadler, allzuwenig stünde noch immer der Mensch im Mittelpunkt des österreichischen Wohnungsbaues. Bleibt aber die Frage, wie die gemeinnützige Wohnungswirtschaft in Hinkunft derartige nur im gesamten zu lösende Probleme meistern will.

• Denn die Konzentrationsfrage vieler zu kleiner Unternehmungen wurde auch auf diesem Verbandstag nicht endgültig gelöst, obwohl diese kleine Unternehmen den Anforderungen der Wirtschaft unserer Zeit kaum mehr entsprechen.

• Und auch mit den Architekten, mit denen angesichts so großer Probleme dringend zusammengearbeitet werden müßte, liegt einiges im argen, ist man doch über allzu schnelle und hohe Forderungen der Architektenkammer, betreffend neue Gebühren, bei der gemeinnützigen Wohnungswirtschaft sauer und erklärt: „Dann eben ohne Architekten.“

So bleibt also die Frage offen, ob angesichts der fulminanten fachlichen Referate auf dem Verbandstag 1969 in der nächsten Zeit auch eine Wirkung zu verspüren sein wird. Beste Zusammenarbeit mit den öffentlichen Stellen wird dazu notwendig sein, und hier könnte man ebenfalls fürchten, denn weder mit dem Wohnbauförderungsgesetz 1968 noch mit dem Wohnungserneue-rungsgesetz sind die Gemeinnützigen zufrieden.

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