Dem Fremden mit Respekt begegnen

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"Mut -eigene, neue Wege zu gehen, in einer Zeit des Umbruchs und gleichzeitig des Rückschritts, Mut sich durch die Flut von schnellen Informationen nicht fehlleiten zu lassen und Mut, die Zeit zu nehmen, das Andere kennen und verstehen zu lernen." Mit dem Thema "Mut" lädt das diesjährige Osterfestival Tirol von 20. März bis 5. April 2015 in Innsbruck und Hall zu Alter und Neuer Musik, Tanz, Literatur und Performance, Film und Gesprächen. Voraus gehen spontane Begegnungen an 15 Tagen: Ab 10. März wird täglich um 15 Uhr an öffentlichen Orten dem Alltag und der Zeit widersprochen, wenn halbstündiges Musizieren, Agieren, vielleicht auch Provozieren für Passanten zu zufälligen Inseln des Innehaltens werden.

Das "Künstlerkollektiv Berlin" ist für seine unorthodoxe Art der szenischen Umsetzung von Dokumentarfilmen bekannt. Es geht in einer Video-Performance mit Live-Musik der Frage nach, wie sich Jerusalem als geistliches Zentrum dreier Weltreligionen zum internationalen Brennpunkt für die Möglichkeiten eines konfliktfreien Miteinanders entwickelt hat. In seinem zweiten Programm lässt "Berlin" jeweils 30 Menschen via Monitor befremdende wahre Geschehnisse sowie philosophische und wissenschaftliche Fragestellungen erleben. Der Beginn des Festivals steht im Gedenken an den Dichter Georg Trakl und dessen von den ersten Schlachten des Weltkriegs 1914 zerstörtes Leben. Auf den 90. Geburtstag von Pierre Boulez verweist eine Hommage und insbesondere auf dessen -wie er sagt - "Bereicherung des europäischen Klangvokabulars durch Horchen auf Außereuropäisches".

Erstaunliche Entdeckungen

Das Osterfestival Tirol, heuer in 27. Auflage, hatte von Beginn an jenseits allen Seitenblicke-Aspekten eine klare Physiognomie, geprägt von Musik, Tanz, Theater, Gesprächen, Diskussion, Begegnung der Kulturen, Spiritualität und sozialem Engagement: Ereigniskonzentrat wider die Gleichgültigkeit. Gebündelt von der Haller Galerie St. Barbara, in der seit nahezu einem halben Jahrhundert die Familie Crepaz -nunmehr in zweiter Generation -musikalisch mit eisernem Niveau und erstaunlichen Entdeckerqualitäten zur emotionalen und intellektuellen Beteiligung animiert. Das Osterfestival, als Herz der international beachteten Arbeit, zeigt laut Crepaz "in Zeiten, in denen der Fundamentalismus immer stärker wird", Lösungsmöglichkeiten mittels Spiegelung: "Kunst ist das Medium, in dem man auf der Basis der eigenen Kultur dem Fremden mit Respekt begegnet. Da ist so viel Verbindendes. Es herrscht umso weniger Angst, je mehr man Fremdes kennen lernt." Das war nicht immer einfach zu vermitteln.

Außereuropäisches bringt auch der wunderbare Jordi Savall, in Hall seit seinen Anfängen zum Freund geworden, mit seinen Ensembles und dem "Geist Armeniens", der getragen ist von Melancholie und Anmut. Das Konzert ist am Karfreitag angesetzt -im Bewusstsein des Leids so vieler Menschen bis heute.

"Da es vorkommt, dass die Pilger, die in der Kirche in Montserrat Nachtwache halten, singen und tanzen wollen sind einige Melodien hier niedergeschrieben. Diese sollen mit Rücksicht und Mäßigung verwendet werden, ohne Störung für jene, die ihre Gebete und geistlichen Kontemplationen fortführen möchten." Diese Worte sind auf der Titelseite eines der berühmten Bücher des Mittelalters zu lesen, des Llibre Vermell de Montserrat aus dem 14. Jahrhundert. Die Lieder vereinen am Karsamstag einmal mehr internationale mit Tiroler Musikern.

Eine besondere Aufführung ist auch am Gründonnerstag zu hören: Die vom bayerischen Herzog einstmals streng geheim gehaltenen Psalmi poenitentiales von Orlando di Lasso (um 1540). Anhand der Abbildungen der Prachthandschrift hat das Ensemble "dolce risonanza" Streich-und Blasinstrumente rekonstruiert und neu bauen lassen, um eine originale Besetzung zu ermöglichen. Den Vokalpart übernehmen "Profeti della Quinta", ein ungewöhnlich eindringliches Männerensemble, das nach seinem Österreich-Debüt beim Osterfestival 2014 sofort wieder für heuer verpflichtet worden ist.

Begegnung mit Kulturen

Tanz in seiner inhaltsvollen, experimentellen und übergreifenden Form -auch das gehört zu den Schwerpunkten. Drei Abende führen in die Innsbrucker Dogana: "Souls"(Ballet du Nord, 2013) als Versuch von Choreograf Olivier Dubois, mit sechs Tänzern aus sechs Gegenden Afrikas auf einer Sandbühne das Verbindende erlebbar zu machen in einer mystischen Initiationsreise. "Democracy" (Léda, 2013) von Maud Le Pladec agiert zum Thema kollektive Zugehörigkeit. "Kaash/Wenn" der Akram Khan Company (2002/2014), vermischt zeitgenössischen mit indischem Tanz, um zu etwas Neuem zu führen.

Noch mehr Konzerte, Filme, Gespräche münden in die Karfreitags-Liturgie (15 Uhr) im Gregorianischen Choral und am Morgen des Karsamstag in die Tauermette mit den Lamentationes Jeremiae Prophetae.

Osterfestival Tirol 10. März bis 5. April, www.osterfestival.at

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