Die Schatten werden länger

19451960198020002020

Sparpaket,Leistungsdruck, Jobsorgen - und niemand da zum Anlehnen. Eine Umfrage über die Ängste von Studenten und Lehrlingen.

19451960198020002020

Sparpaket,Leistungsdruck, Jobsorgen - und niemand da zum Anlehnen. Eine Umfrage über die Ängste von Studenten und Lehrlingen.

Werbung
Werbung
Werbung

Barbara Fibi, 23, Studentin der Soziologie und Pädagogik: Ich bekomme manchmal Angst, weil ich im Moment überhaupt nicht weiß, welche Wendung mein Leben nehmen wird. Ich trau mich oft nicht, meine beruflichen Wünsche konkret auszusprechen, weil es sehr wahrscheinlich ist, dass ich sie zumindest auf Anhieb nicht erreichen werde. Das wird dann immer gleich als Scheitern ausgelegt. Auch in punkto Partnerschaft ist das Leben oft problematisch. Ich wünsche mir einen Menschen, mit dem ich mir zumindest vorstellen könnte, mein Leben zu verbringen und eine Familie zu gründen. Aber diesen zu finden, ist schwer. Das deprimiert.

Tanja Hammer, 20, Studentin der Publizistik und Pädagogik Meine "sozialen" Ängste habe ich erst, seit ich gehört habe, dass Studiengebühren kommen. Ich bin derzeit geringfügig beschäftigt und werde jetzt noch mehr arbeiten müssen.

Beatrix Ullrich, 19, Studentin der Ethnologie und der Pädagogik Flexibel wäre ich schon. Aber ich habe trotzdem Angst, dass ich nach dem Studium irgendeinen Job annehmen muss, der mich absolut nicht interessiert, nur damit ich Geld verdiene.

Nikolaus Frick, 27, Student der Pharmazie aus Liechtenstein Ich fürchte mich am meisten davor, dass ich keinen gesicherten Unterhalt habe oder mir nichts aufbauen kann. Es reicht heute bei weitem nicht mehr, nur einfach ein Studium zu absolvieren, um sicher einen Job zu bekommen. Es besteht ein enormer Druck, Zusatzqualifikationen zu erlangen. Gesellschaftlich gesehen habe ich auch vor einer zu großen Anonymität Angst. Mich würde es schon sehr stören, wenn die Persönlichkeit verloren ginge.

Martina Stadler, 21, Studentin1) Ich habe Angst, nicht den richtigen Partner zu finden. Zur Zeit lebe ich in einer Wohngemeinschaft und besuche meine Eltern regelmäßig. Diese Art des Wohnens und Lebens ist angenehm. Aber ich befürchte, dass sich das nicht mehr weiterführen lässt, wenn wir mit der Ausbildung fertig sind. Ich habe Angst, alleine zu wohnen und den Rückhalt zu verlieren. Auf der anderen Seite habe ich das Bedürfnis, nicht auf meine Eltern angewiesen zu sein.

Das Bedürfnis nach Unabhängigkeit und die Angst vor seinem tatsächlichen Eintreten ist irgendwie gleich stark ausgeprägt.

Daniel Artner, 18, Lehrling Ich fürchte mich am meisten vor einer fehlenden Pension. Ich werde daher auch privat für meine Pension vorsorgen. So ein kleines Sparbuch, für mich selber, was keinen was angeht. Ich habe auch Angst, dass ich um mein eigenes Erspartes beschissen werde, weil der Euro so schwach ist.

Wolfgang Ertl, 23, Student der Psychologie und Medizin Ich fürchte mich davor, aus dem Strom der Gesellschaft herauszufallen. Diese Gefahr ist am größten, wenn die Gesellschaft "Mist" baut. Ich denke natürlich in diesen Zeiten auch an politischen Mist und an ökologische Probleme. Aber das ist gar keine Zukunftsangst. Das passiert ja schon. Ich sehe Temelin, die FPÖ in der Regierung - das ist Gegenwart.

Klaus Olsen, 18, Lehrling Am meisten fürchte ich mich davor, dass ich keinen Job finde. Wird sich das rentieren, was ich gelernt habe? Dass Temelin gerade in Betrieb gegangen ist, finde ich schlecht. Wenn wir in zwei Monaten vielleicht in die Luft gehen, täte mich das nicht wundern.

Gani Molliqaj, 16, Lehrling Meine Eltern kommen aus dem Kosovo, ich habe dort auch noch Verwandte. Mein Opa, meine Oma und meine Tante sind unten. Um sie habe ich Angst, auch wenn jetzt kein Krieg mehr ist. Unter Leistungsdruck bin ich nicht. Was mir der Meister sagt, das mache ich - nicht mehr und nicht weniger. Ich schaffe die Arbeit.

Sophie Merkant, Studentin1) Ich habe keine Angst, keinen Job zu finden, sondern eher, im Alter niemanden zu haben. Weiters beschäftigen mich neue Krankheitsbilder und chronische Krankheiten. Diese Krankheiten werden natürlich von den sich stets verändernden Umwelteinflüssen getragen. Wir müssen mit Atomkraftwerken leben, haben keine Kontrolle über die Lebensmittel. Ebenso beängstigt mich die "Globalisierung". Ich schätze den Bäcker von nebenan, der mich mit dem Vornamen anspricht und mit mir plaudert. Durch den Trend der McDonaldisierung wird auch Österreich veramerikanisiert - es gibt nur mehr große Ketten, Riesenmärkte. Dabei geht das Individualistische immer mehr verloren.

1) Name von der Red. geändert Die Umfrage wurde durchgeführt von Elfi Thiemer und Hans Kronspieß.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung