Die Situation der Gegenwart

Werbung
Werbung
Werbung

Von Abg. Dr. Bruno Kreisky die furche, 25. 11. 1967

Es wird wahrscheinlich in Zukunft kaum mehr passieren, daß ich mich als Vorsitzender der großen Oppositionspartei mit dem Generalsekretär der övp in Übereinstimmung befinde. In voller Übereinstimmung befinde ich ich mich aber mit dem, was der Herr Abgeordnete Dr. Withalm über unsere Stellung zur römisch-katholischen Kirche gesagt hat. Ich teile diese Ansichten vor allem deshalb, weil wir einen neuen Geist in die Politik bringen wollen und das nur können, wenn wir möglichst viel von Aggressionen und Emotionen und Ressentiments aus dem politischen Leben ausscheiden. Denn nur so werden wir auch in Österreich zu einer Verinnerlichung des demokratischen Lebens, frei von Sentimentalem, kommen.

Ich erinnere mich noch sehr gut an jenen unfaßbar schönen Tag in Rom: An die Abschlußfeierlichkeiten des Konzils. Damals habe ich als Mitglied der Delegation der Bundesregierung mit besonderer Aufmerksamkeit die Botschaft an die Arbeiter angehört, und besonderen Eindruck hat auf mich jener Passus dieser Botschaft gemacht, wonach "traurige Mißverständnisse der Vergangenheit zu lange das Mißtrauen und Unverständnis zwischen uns aufrecht erhalten haben". [...]

Ich will nicht leugnen, daß das auf mich einen großen Eindruck gemacht hat, daß damals vor allem der Wunsch zu einer Konfrontation unserer Ansichten, vor allem der Mißverständnisse entstanden ist, weil ich zu jenen Leuten gehöre, die der Meinung sind, man soll die eigene Geschichte und das Unangenehme, das einem widerfahren ist, nicht einfach wegeskamotieren, sondern man soll sich bewußt um die Irrtümer und Fehler der eigenen Geschichte kümmern - um ein Wort Burckhardts aufs Neue zu variieren -, um klüger zu sein und klüger zu werden für ein andermal; wenn ich auch nicht so weit zu gehen wage wie er, daß wir weise für immer aus dem Studium der Geschichte werden sollen. So weit gehe ich als Politiker nicht, weil ich glaube, daß es im politischen Leben so viele Verlockungen, Fehler zu machen, gibt, daß wir als Politiker jedenfalls nicht in Anspruch nehmen können, besonders weise oder gar weise für immer aus der Erkenntnis unserer Fehler zu werden.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung