Erneuerbar: Zauberwort der Öko-Religion

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Wiederholt wurde auf den Umweltseiten der Furche die Forderung nach Förderung erneuerbarer Energien erhoben. Im folgenden Beitrag kommt nun ein Kritiker dieses Anliegen zu Wort.

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Wiederholt wurde auf den Umweltseiten der Furche die Forderung nach Förderung erneuerbarer Energien erhoben. Im folgenden Beitrag kommt nun ein Kritiker dieses Anliegen zu Wort.

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Die jüngste Steuerreform folgt dem Motto: "Wer allen etwas bringt, wird keinem etwas bringen". Besonders leer gehen jetzt jene aus, denen die Steuerpolitik gar nicht wirtschaftsfeindlich genug sein kann und die daher stets auf "Ökologisierung" pochen. Ihre Argumente lauten ja etwa so: "Nicht-erneuerbare" Energie ist zu bestrafen, um (bei zusätzlicher Steuerlast!) die "erneuerbare" zu fördern und zugleich "die Arbeit" zu "entlasten".

Mit dieser Dialektik wird natürlich verschleiert, daß die "Entlastung" des Kostenfaktors Arbeit auf Quer-Subventionierung hinausläuft, weil die ominösen "Lohnnebenkosten" ja keine Nebenkosten, sondern allergrößtenteils echte Lohnkosten sind (siehe Furche 27/98). Und "erneuerbar" wird ohnehin von keinem mehr hinterfragt, seit der "Club of Rome" das Dogma von den "Grenzen des Wachstums" verkündete.

Bekanntlich ist unser Wortschatz ständigem Wandel unterworfen, - neue Vokabel kommen in Mode, während andere verschwinden. Weniger auffällig ist, daß Wörter zuweilen eine Bedeutung kriegen, die mit sprachlicher Logik unerklärbar bleibt! Gewiß, für totalitäre Systeme wäre das nicht verwunderlich, doch daß es auch hier und heute passiert? Denn denken wir nur an die so beliebte "Freisetzung" von Arbeitskräften! Und das zur täglichen Berieselung gehörende "erneuerbar" fällt ja in dieselbe Kategorie.

Physikalisch ist "erneuerbar" jedenfalls nicht zu ergründen, denn wie der erste Hauptsatz der Thermodynamik lehrt, kann Energie nicht verloren gehen, sondern nur in andere Formen umgewandelt werden. Somit ist alles erneuerbar! Zugegeben, bei Kohle und Erdöl dauert es etwas länger, doch schon bei Erdgas geht es ziemlich flott, wie das aus Müll-Deponien aufsteigende Methan beweist.

Längerfristig ist aber gar nichts erneuerbar, denn irgendwann wird selbst unser größter Atomreaktor, die mit Kernfusion arbeitende Sonne, ausbrennen und alle erneuerbaren Energiequellen saftlos sitzenlassen, während unsere Nachfahren auf den nächsten Urknall warten müssen.

Nicht-erneuerbar ist von Natur aus böse "Erneuerbar" erscheint also irgendwie metaphysisch, oder besser gesagt, zur Morallehre der neuheidnischen Öko-Religion gehörig: "Nicht-erneuerbar" ist von Natur aus böse, und da die "fossile" Energie aus dem Reich der Finsternis kommt, kann sie nicht erneuerbar sein. "Erneuerbar" hingegen ist gut, weshalb es als Synonym für "alternativ" oder "sauber" gilt, und alternative Saubermänner und -frauen lobpreisen die erneuerbare - weil per Zirkel-Beweis gute - Energie selbst dann als sauber, wenn zu ihrer Entwicklung und Nutzbarmachung ein Vielfaches an böser Energie erforderlich ist! Bei Ablaßhandel, Geldwäsche, Parteienfinanzierung und so weiter ist vergleichbares anzutreffen.

Doch bitte keine Mißverständnisse: Innovation ist gut oder zumindest wertneutral, und wenn jemand mit seinem eigenen, versteuerten Geld irgendwelche Projekte (oder Künstler, Parteien) fördern will, soll er dies tun. Subventionen, die direkt oder indirekt zu Lasten von Steuerzahlern und Verbrauchern gehen, sind aber nur dort gerechtfertigt, wo längerfristig ein realer Vorteil herausschaut, nicht bloß ideologische Selbstbefriedigung für Öko-Ayatollahs! Oder sollen wir etwa "Goldmacher" fördern?

Darüber hinaus darf nie vergessen werden, daß das technisch Machbare keineswegs immer wirtschaftlich sinnvoll sein muß. Wer aber Unsinniges fördert, ist ein verkappter Feind der Innovation!

Enge Grenzen der Nutzbarmachung Kriterien wie Energiedichte, Zuverlässigkeit, Speicherungs- und Transportfähigkeit setzen der Nutzbarmachung praktische Grenzen. Bei "alternativen" Energien kommt hinzu, daß sie wegen geographischer Gegebenheiten ohnehin nur einen minimalen Anteil haben können und daß ihre "Umweltfreundlichkeit" schon deswegen trügerisch ist, weil der ganze "konventionelle" Apparat trotzdem unentbehrlich bleibt!

Solare Warmwasserbereitung schneidet also sicher positiv ab. Mehrfach fragwürdig ist hingegen Biotreibstoff, wie erst kürzlich wieder die Arbeiterkammer aufzeigte. Und daß marktverzerrende Subventionen stets zu Fehlinvestitionen und Arbeitsplatzexport führen, beweisen jene Fernheizwerke, die mit importierten Hackschnitzeln arbeiten!

Noch ärger steht es mit Photo-Voltaik und Windrädern: Die mögen in Sonderfällen (etwa bei Schutzhäusern) sinnvoll sein, wie aber kommen Stromkunden und Steuerzahler dazu, eine höchst zufällige "Einspeisung" ins Netz mitzufinanzieren? Übrigens, daß Öko-Strom angeblich ein Mascherl hat, erinnert an jene glücklichen Bio-Eier, die flugs im Supermarkt nachgekauft werden, wenn sie im Bio-Laden ausgehen.

Kurioserweise bleibt "Landschaftsschutz" außer Betracht, sobald es um "Energiewälder", um Monokulturen für Biotreibstoff, ums Bepflastern mit Solarzellen oder ums Bestücken mit Windrädern geht. Und bei Windrädern sind sogar "Lärmbelästigung" oder "Gefährdung für Mensch und Tier" kein Thema! Besonders grotesk aber ist das Moralisieren bei unserer fatal an die Praxis des kanonischen Zinsverbots erinnernden Atompolitik sowie bei der Wasserkraft, der einzigen Energie, die einen Großteil des heimischen Bedarfs abdecken könnte: Wasserkraft ist nämlich nur mehr dann "erneuerbar", wenn es um Kleinkraftwerke geht! Regentropfen kommen da wohl ordentlich ins Schwitzen, denn wer ein guter Tropfen sein will, darf nicht im Bereich eines Großkraftwerks niedergehen!

Die Widersprüchlichkeiten sind aber gar nicht so widersprüchlich, denn der Wahnsinn hat Methode! Sprache schafft Wirklichkeit, lehrte der dialektische Materialismus, und da Aktivisten, Mitläufer und nützliche Idioten oft direkt von der Friedensbewegung ins Öko-Lager wechselten, pflegt auch der dialektische Ökologismus seine Gegner durch manipulative Umdeutung und pausenlose Wiederholung niederzuknüppeln.

Die Verantwortung der Wissenschaft Mit Worthülsen wie "erneuerbar" werden bereits die Kinder konditioniert, und die Erwachsenen fallen erst recht auf Standard-Phrasen herein: "Wie allgemein bekannt ist", "wie längst erwiesen ist", "wie die Experten sagen"!

Ja, was soll der "Laie" da erwidern, wo er doch den gesunden Menschenverstand in der Garderobe abgeben mußte? Und wo doch jeder ein Experte ist, der von seinem Auftraggeber als solcher bezeichnet wird.

Wissenschafter und Techniker tragen daher doppelte Verantwortung: Für ihre eigene Arbeit und zugleich dafür, möglichst zu verhindern, daß Scharlatane mit ihrer Dialektik andere hinters Licht führen können. Der Kampf gegen die von Medien und Parteien, ja sogar von Teilen der Lehrerschaft ausgehende Wirtschafts- und Technikfeindlichkeit muß uns ein vorrangiges Anliegen sein, denn eine florierende Wirtschaft ist nun einmal die materielle Basis gedeihlichen Zusammenlebens.

Der Autor ist Kolumnist und Autor der Wochenzeitung "Zur Zeit".

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