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Aufbruch in Spanien

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Spanien wädist jetzt in zunehmendem Maße aus seiner materiellen und ideellen Isolisrung heraus. Mit einem guten Tastgefühl, das es oft genug im letzten Jahrzehnt bewiesen hat, kommt es selbst den Ereignissen entgegen und öffnet sich einer freundschaftlichen Invasion aus aller Welt.

Der diesjährige, zehnte Kongreß des „Consejo Superior de Investigaciones Cientificas“ sah als Teilnehmer 183 ausländische Wissenschaftler, darunter fünf Nobelpreisträger: Prof. Hahn, Deutsch-land, Prof. Debyg, USA, Prof. E. D. Adrian, Sir Georges Thompson und Sir Howard Florey aus England. In den Jahren, da das übrige Europa vom Krieg befallen war, entwickelte der „Consejo Superior de Investigaciones Cientificas“ eine eifrige Tätigkeit, an der er trotz Krieg und Nachkriegsschwierigkeiten Wissenschaftler der ganzen Welt teilnehmen ließ. In den von ihm gelenkten Patronaten und Instituten rettete die spanische Organisation die friedliche Arbeit von Gelehrten, deren Tätigkeit in ihren eigenen Ländern als nicht „kriegswichtig“ beiseite blieb. Auf den Gebieten der Philologie — deren Sektion „Pädagogische Missionen“ im vergangenen Jahrzehnt 175 Bibliotheken an verschiedene Lehrzentren der Welt hinausgeschickt hatte —, der Naturwissenschaften, der Biologie, Chemie, Biochemie, Medizin, Kolonialwissenschaften und in vielen anderen Zweigen riß die Arbeit und Zusammenarbeit spanischer Gelehrter mit Europa und der Welt nie ab.

Die stille Arbeit Spaniens auf kulturellem Gebiet scheint nun auch politische Früchte zu tragen. Denn in dem Maße, in dem es von Politikern im Ausland in Mißkredit gebracht wurde, verstärkten sich die Stimmen zu seiner Verteidigung, wohlklingende, leidenschaftslose Stimmen von Wohltätern der Menschheit, deren Namen erst jetzt, Jahre nach dem Brand des Hasses, wieder in altem oder neuem Glanz erstrahlen. Kein Verdacht krämerischen oder politischen Interesses kann etwa auf Prof. Fleming, den Entdecker des Penicillins, fallen, der sich bei seinem vorjährigen mehrwöchigen Besuch In Spanien lobend über das Land und seine volksgesundheitlichen Einrichtungen geäußert hatte; oder auf Prof. Dr. Waks-man, den Entdecker des Streptomycins, der kürzlich eine mehrwöchige Reise durch Spanien beendete und dabei das Land weit besser kennenlernte als jene zahlreichen politischen Reisenden, die sich für berufen halten, nach einer Tour im Blitzkriegstempo entweder ätzende Kritik oder enthusiastisches Lob zu verbreiten. Die Welt hat inzwischen ihr Gehör geschärft, und die Menschen wollen wieder selbst prüfen, ehe sie sich eine Meinung bilden.

Die offiziellen Organisationen Spaniens sind jetzt bemüht, Besucher in das kulturelle Leben des Landes einzuführen und an ihm teilnehmen zu lassen. Da sind die „Kurzsemeste r“ für Ausländer an den spanischen Universitäten. Das System dürfte in wenigen

Ländern Europas mit so viel Sorgfalt entwickelt worden sein wie hier. Eine Reihe von Universitäten von ehrwürdigem Namen laden den Ferien- oder Studienreisenden ein, ihr Gasthörer zu sein. Salamanca, Malaga, Santiago, Madrid, die Kolumbus-Universität von La Rabida üben auf jeden an romanisch-hispanischer Philologie oder Geschichte Interessierten eine große Anziehungskraft aus. Besonderen Zuspruch erhielt die „Universidad de Verano“ (Sommeruniversität) von Santan-der, die in der Sommerresidenz der früheren spanischen Könige untergebracht ist, während für einzelne Abteilungen und Institute dieser Universität moderne Gebäude in der Nähe des Badestrandes des „Sardinero“ errichtet wurden. Vorlesungen in Sprachkunde, Literatur, Geschichte, Kunstgeschichte, Musik sind die von Ausländern bevorzugtesten. Die „Estaci6n de Estudios Pirenaicos“ in Huesca mit De-pendenzen in zahlreichen Pyrenäenorten vermittelt die Kenntnis der o interessanten Gebiete der Geologie, Prähistorie usw

Spanien braucht diesen auf vielen Gebieten wieder einsetzenden Kontakt mit Europa, dem es ja doch trotz aller stolzen, manchmal zu theatralisch gespielten Abkehr auf Gedeih und Verderb verschrieben ist. Diesem Kontakt kommt zustatten, daß Spanien neben Österreich eines der billigsten Reiseländer ist. Di Peseta hat auf den internationalen Märkten einen Tiefstand erreicht, der ihrer wirklichen Kaufkraft im Inland längst nicht mehr entspricht.

Wenn auch Staatsmänner und Politiker immer noch hemmend auf das Wieder-zueinanderstreben der einander so tief entfremdeten Völker Europas einwirken, so ist es doch tröstlich, daß die Völker selbst, erst einzelne Menschen, dann Gruppen, schließlich Scharen von Ungeduldigen, Unruhigen und Suchern die verschütteten Wege freimachen und gehen.

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