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Der „Auszug” aus dem Völkerkerker
DIE BADENISCHEN SPRACHVERORDNUNG EN von 1897, ihre Genesis und ihre Auswirkungen vornehmlich auf die innerösterreichischen Alpenländer. II. Band. Von Berthold Sutter Veröffentlichungen der Kommission für Neuere Geschichte Österreichs. Band 47. Verlag Böhlau, Wien, 1965. 524 Seiten, 10 Abbildungen. Preis S 380.—.
Der Geisteskampf um die Einstellung der Völker zur Monarchie, der in den neunziger Jahren ein neues Stadium erreicht hatte, brach in unerhörter Schärfe aus, als Graf Badeni seine Sprachverordnungen erlassen hatte. Hier liegt der zweite Teil der Geschichte dieser hochwichtigen Krise vor. Dem Autor ist es gelungen, sozusagen ein Ideal an Objektivität zu erreichen: Er läßt die Zeitdokumente sprechen. Was sie sagen, ist geeignet, eine verneinende Antwort auf, die vielbesprochene Frage zu geben: Konnte die österreichische Monarchie erhalten bleiben? Konnten sich die Habsburger an der Macht halten, wenn sie der Stimme ihrer Völker Gehör schenkten? Dem Leser drängt sich die Antwort auf: Wenn der Kaiser ein Sprachengesetz erlassen wollte, das allen Wünschen Rechnung trug, dann konnte es nur folgende drei Paragraphen enthalten:
„1. Der Kaiser verbürgt jeder Nationalität die Erhaltung ihres Besitzstandes. 2. Der Kaiser verspricht jeder Nationalität die Wiederherstellung jedes in der Geschichte jemals innegehabten Besitzstandes. 3. Der Kaiser gewährt jeder Nationalität das Recht auf Ausdehnung in der ganzen Monarchie.”
Dies ist, sagten wir, die Sprache der Dokumente. Man lese das Pfingstprogramm der deutschen Gemeinbürgschaft von 1899. Sorglich hüten sich die Proponenten, etwa nur gemeinsame Rechitsgrundsätze für das ganze Reich aufzustellen, das hätte ja dieselben Rechte für Tschechisch in Wien wie für Deutsch in Czernowitz ergeben. Es wird daher für jedes Kronland eine andere — jeweils die möglichst deutsche — Lösung verlangt. Aus anderen Dokumenten wieder geht hervor, wie man auf tschechischer Seite zwischen staatreohtlich-historischen und revolutionären Argumenten, je nach Zweckmäßigkeit, zu wechseln wußte. Und so gelang es denn, den Völkerkerker zu sprengen, die Völker konnten ihre Wunschträume verwirklichen, schön eins nach dem anderen. Und es kam, was der Dichter der böhmischen Alexandreis vor sieben Jahrhunderten geweissagt hatte: „Wenn die Deutschen hier begehren — dem der Herrgott wolle wehren —, daß man auf der Prager Brücken keine Böhmen soll erblicken, eher möcht es wohl geschehen, daß man sie soll nimmer sehen ..
Sondern Chinesen. But that i another story, sagt Kipling.
Die betreffenden beiderseitigen Pläne siehe L u ž a: The transfer of the Sudeten Germans / New York 1964 / und Willars: Die böhmische Zitadelle / Wien 1965.
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