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Die Kaiserin und die Fabriken

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DIE WIRTSCHAFTSPOLITIK MARIA THERESIAS. Von Gustav O t r u b a. Österreich-Reihe des Bergland-Verlages, Wien, 1963. Band 193/94. 334 Seiten. Preis 30 S.

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DIE WIRTSCHAFTSPOLITIK MARIA THERESIAS. Von Gustav O t r u b a. Österreich-Reihe des Bergland-Verlages, Wien, 1963. Band 193/94. 334 Seiten. Preis 30 S.

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Otruba hat mit diesem Band der Literatur über die große Herrscherin einen wertvollen Beitrag geleistet und, wie er wohl mit Recht in Anspruch nimmt, eine Lücke in der Darstellung ihrer Wirtschaftspolitik ausgefüllt. Besonders zeichnet sich aber Otrubas Studie dadurch aus, daß er die persönlichen Entscheidungen der Kaiserin sozusagen zum Leitfaden seiner Arbeit nimmt. Er schöpft aus einer Quelle, die von der Wissenschaft bisher völlig unbeachtet gelassen wurde: „Maria Theresias allerhöchste Entschließungen zur Belebung der Industrie, des Handels, der Fabriken und Manufakturen in den k. k. österreichischen Erbstaaten 1764 bis 1776.“ Das Hofkammerarchiv verwahrt unter diesem Titel fünf Handschriften, die vermutlich als Kanzleibehelf etwa als Protokollbuch, gedient haben mögen.

Nicht nur die Vielfalt der Gegenstände, mit denen sich die Kaiserin nach diesen Aufzeichnungen beschäftigte, macht starken Eindruck, sondern noch mehr die individuelle Behandlung, die sie vielfach jeder dieser Entscheidungen angedeihen läßt. Gerade dadurch belebt das Buch die Gestalt Maria Theresias. Grundsätzlich war sie bemüht, ihrem feudalen Agrarstaat allmählich eine eigenständige Industrie einzupflanzen und die österreichische Wirtschaft vom Ausland unabhängig zu machen, den Volkswohlstand zu heben und mittelbar die Staatseinnahmen zu steigern. Vorerst galt ihre Aufmerksamkeit den Fabriken, denen sie dadurch zu Hilfe kam, daß sie ihnen Arbeitskräfte freimachte, indem sie den Fabrikanten das Recht gab, zünftige und unzünftige Arbeitskräfte in beliebiger Zahl aufzunehmen. Aber bei allem Wohlwollen gab sie später nur noch seltener bescheidene Geldvorschüsse. Die ständig passiv arbeitenden Staatsbetriebe ließ sie an den Meistbietenden verkaufen. Besonders Josef IL, ihr Mitregent, war ein Gegner staatlicher Betriebe. Als 1770 die Schafwollproduktion in eine Krise geriet, wurde die Meidlinger Fabrik aufgelassen und die Veräußerung der Linzer Fabrik an eine private Gesellschaft erwogen.

Interessant ist, daß auch kirchliche Institute Fabriken betrieben, so gründete der Abt von Kremsmünster eine Fabrik, die Priesterkleidung erzeugte; im Königgrätzer Kreis unterhielt der Prälat von Braunau eine Wollenzeugfabrik, in Osseg betrieb das dortige Zisterzienserstift eine Stollwollmanufaktur und anderes. Daß die Kaiserin auch an den kleinen Mann dachte, bezeugt ihre Anordnung betreffend die Erfindung des Karl Erp, der Kochbratmaschinen erzeugte. Die Behörden sollten sofort untersuchen, „wie auch kleine Haushaltungen diese Maschinen sich gebrauchen könnten“.

Ihre Agrarpolitik charakterisiert eine Anmerkung der Kaiserin vom Jahre 1775: „Der Bauer ist über die Exzesse der Herren in Verzweiflung ... haben nie Ordnung gemacht und den Untertan immer gedrückt ... würde es mir gelingen, die Leibeigenschaft und die Frohnden abzuschaffen: dann wäre alles gut.“ Doch genug der Beispiele! Jedermann kann das Buch mit Gewinn lesen, und wer es angefangen hat, wird es mit steigendem Interesse zu Ende lesen.

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