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Ehre und Haltung des Offiziers

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Gibt es, so müssen wir zuerst fragen, die Ehre des Offizier als eine exklusive Ehre, die im Gegensatz steht zur allgemeinen Ehre, im Gegensatz oder außerhalb der Ehre des Menschen schlechthin. Sie wissen, daß es eine Zeit gegeben hat, die diese Frage bejahte, die den Offizier heraushob aus dem allgemeinen Ehrbegriff, die ihn erhöhte, um ihn zu isolieren; eine Zeit, die ihn abschloß vom Volk, das für ihn, den Offizier, eine eigene Regel, einen eigenen, von den übrigen verschiedenen Ehrenkodex aufgestellt hat. Sjie wissen auch, wohin das geführt hat: zu Kastenbildung, Standesdünkel, ztir Entfremdung und schließlich zur Aushöhlung, bis der Begriff einer „besonderen Offiziersehre“ zu einer leeren Hülse, zum Gegenstand beißenden Spottes wurde. Dagegen, gegen diese Verfälschung, gegen eine falsche Absonderung, gegen die Dünkelhaftigkeit eines besonderen Ehrbegriffes des Offiziersstandes, haben sich viele gerade der vornehmsten Offiziere aufgelehnt. Viele sind daran auch gescheitert.

Gibt es also eine Ehre des Offiziers? Gewiß, genauso wie es eine Ehre des Priesters, des Richters, des Beamten, des Journalisten gibt, als eine aus seinen besonderen Standespflichten erwachsende besondere Ausprägung der menschlichen Ehre im allgemeinen. Aber immer im Rahmen der allgemeinen menschlichen Ehre, nie im Gegensatz dazu gilt das. Man kann also von der Ehre des Offiziers sprechen, aber nur in einem verbindenden und nie in einem absondernden Sinn. Die Ehre list eine in der menschlichen Würde liegende und allen Menschen als Kinder Gottes zukommender Anspruch. Zu dieser Ehre, die in der Menschenwürde wurzelt und aus ihr hervorgeht, können Teilformen, wie die Standes- und die Offiziersehre, nie im Gegensatz, sondern nur im Einklang stehen.

Tüchtige Offiziere — rechtschaffene Männer

Als die Kaiserin Maria Theresia im Jahre 1752 die Militärakademie zu Wiener Neustadt errichtete, schrieb sie in den Stiftungsbrief an Feldmarschall-Leutnant Graf Daun die Worte: „Mach Er tüchtige Offiziers und rechtschaffene Männer daraus.“

Seitdem sind mehr als zwei Jahrhunderte vergangen. Reiche zerbrachen, Armeen verschwanden, die Neustädter Burg sank in Schutt und Trümmer. Aber sie ist wiedererstanden, und wieder werden österreichische Offiziere in ihr ausgebildet, und noch immer gilt das Wort der großen Kaiserin an ihren Feldmarschall, „Mach Er tüchtige Offiziers und rechtschaffene Männer daraus“. Tüchtige Offiziere und rechtschaffene Männer. Das Begriffspaar steht, und es stimmt: Ein tüchtiger Offizier ist ein rechtschaffener Mann, und nur ein rechtschaffener Mann kann ein tüchtiger Offizier sein. Der Offizier ist kein Exklusivbegriff, kein Kastenidol, er gehört zum Stand der rechtschaffenen Männer.

Was ist nun die Ehre eines rechtschaffenen Mannes, worin besteht sie? In Tüchtigkeit, Redlichkeit, Verlaß-, lichkeit und Vertrauen, Mäßigkeit und Nüchternheit. Was ist Haltung, was ist die Ehre des Offiziers? Dasselbe: Tüchtigkeit, Redlichkeit, Verläßlichkeit und Vertrauen, Mäßigkeit und Nüchternheit. AH dies unter den besonderen Erfordernissen und unter den besonderen Bedingungen seines Standes. .

• Ein Offizier muß ein tüchtiger Mann sein, das heißt er muß Bescheid wissen in seinem Fach, er muß ein Mann mit Kenntnissen sein.

• Der Offizier muß ein redlicher Mann sein, das heißt, ein gradliniger Mann. Sein Wort muß mit seinen Taten, sein Dienst mit seinem Privatleben übereinstimmen. Wenn der Offizier in seinem Unterricht an das Verantwortungsgefühl der Soldaten appelliert, derselbe Offizier in seinem privaten Leben aber jegliche Verantwortung vermissen ließe, wenn er seine Soldaten auf die unabhängige demokratische Republik vereidigt, wenn er aber merken ließe, daß er sich mit dieser unabhängigen demokratischen Republik Österreich nicht identifiziert, dann wird die Jugend, dann werden die Soldaten, die dem Offizier anvertraut sind, nicht nur irre werden an dem Offizier als Menschen, dann werden sie irre werden am Heer und schließlich auch am Vaterland, dem dieses Heer und dem sie in diesem Heer dienen sollen.

• Der Offizier muß sein ein Mann von Verläßlichkeit und Vertrauen. Der Soldat muß Vertrauen zum Offizier haben als seinem militärischen Führer, aber auch als Mensch und Kamerad. Alljährlich werden einige Zehntausend junger . Menschen zum Heer einberufen. Viele folgen diesem Ruf nicht mit Begeisterung, aber auch nicht unwillig. Durch neun Monate werden sie ausgebildet, damit sie einmal, so wird ihnen gesagt, dieses ihr österreichisches Vaterland verteidigen können. Aber neben allem technischen Können, das sie dazu befähigt und vor allem technischen Können müssen diese jungen Menschen das Bewußtsein haben, daß es dafürsteht, für dieses Vaterland auch sein Leben einzusetzen. Ihnen dieses Bewußtsein, ihnen diese Überzeugung zu vermitteln, ist Sache der Offiziere. Dazu genügen Appelle und Dienstvorschriften allein nicht. Hier muß der Offizier seinen Männern Rede und Antwort stehen, wenn sie ihn fragen. Mit Befehl allein können wohl Menschen in den Tod getrieben werden, sein Leben aber einzusetzen, kann man nur von einem Menschen verlangen, der weiß, wofür er kämpfen soll. Am Offizier liegt es. auch an ihm, dem Soldaten zu erklären, daß dieses Österreich, nicht obwohl es neutral, sondern weil es neutral ist, ein schlagkräftiges Heer benötigt. An ihm liegt es, dem Soldaten das Bewußtsein zu geben, daß das Heer mehr ist als eine technische Notbilfe bei Naturkatastrophen, mehr als ein Pistentretkommando bei Skikonkurrenzen, mehr als eine Schneeschauflerbrigade oder als ein Einsatzkommando zur Zuckerrübenernte.

Wenn einmal die Stunde kommer sollte — wir alle bitten Gott, daß sie niemals komme —, in der dieses Österreich gezwungen sein sollte, seine Soldaten zur Verteidigung der Heimal aufzurufen, zur Verteidigung der Neutralität und Unabhängigkeit unseres Vaterlandes — und dazu werden die Soldaten ja schließlich ausgebildet — dann werden diese Soldaten gewif kommen, nicht mit fliegenden Fahnen nicht mit todessüchtiger Begeisterung aber sie werden kommer;. Wenn sie dann nicht wissen, warum sie dieses Österreich verteidigen sollen, wenr sie das nicht gelernt haben zu de Zeit, als man ihnen die technische! Kenntnisse dafür beibrachte, wenn sii es nicht von ihren Offizieren gelem haben, wenn es ihnen nicht von ihrei Offizieren vorgelebt wurde, dann kam es sein, daß sich das Wort des Prinzei Eugen wiederholt, der einmal in eine bitteren Stunde sagte: Die Österrei eher kämpfen tapfer, aber ohne Zu versieht. — Diese Zuversicht, diese Vertrauen dem österreichischen Sol daten zu geben, ist Sache der Offi ziere. Nicht der Robotersoldat, nich der technisch blendend ausgebildet! Gladiator wird das Vaterland vertei digen, sondern nur der Soldat, de weiß, worum es geht. Wer nicht un sein Vaterland kämpft, der weich deswegen dem Kampf nicht aus Unsere leidvolle Geschichte ist eil Beispiel dafür. Tausende Österreiche haben im letzten Krieg den Tod ge funden. Sie haben, wie Unterrichts minister Dr. Drimmel einmal bei de Einweihung eines Gefallenendenkmale sagte, das bitterste Los getragen, sii haben das Recht, daß wir in Traue und Ehrfurcht ihrer gedenken. Dem sie sind in einen Krieg gezogen, de nicht ihr Krieg war. Sie sind gefallet für eine Sache, die nicht ihre Sache war. Soll es wieder so kommen?

Gewiß, es wäre unrecht, die ganzi Last einer solchen Verantwortung au die Offiziere allein abzuladen. Auel der Staat selber und seine Führuni muß darnach beschaffen sein. Er dar kein Bild der Zerrissenheit, kein Bil( des gegenseitigen politischen Kampfe bieten; er muß mehr sein als du Addition gegensätzlicher Einflußsphä ren, Eintracht, Liebe und Treue zun Vaterland müssen mehr sein als blof schmückendes Beiwort bei festlich« Reden. Es mag sein, daß es manchei Österreicher nicht mehr stört, wem seit Monaten ergebnislos um die Bildung einer neuen Regierung verhan delt wird; wenn es aber der Jugenc gleichgültig wäre, wie dieser Staat unc ob dieser Staat überhaupt regiert wird dann wäre auch so manches Wort de: Offiziere vergebens, dieser Jugend da; Bewußtsein zu geben, für diesen Staa auch einmal ihr Leben einzusetzen.

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