6754812-1967_42_14.jpg
Digital In Arbeit

Genialität und Leidenschaft

Werbung
Werbung
Werbung

LOUIS FERDINAND. Das Leben eines preußischen Prinzen. Von Burghard N a d o 1 n j. EU gen-Diederlchs-Verlag, Düsseldorf-Köln. Leinen, 88% Selten, 4 Bildtafeln. S 166.50.

Wer idealistisch und genial veranlagt ist und überdies einem regierenden Herrscherhaus angehört, dem muß — sollte man meinen — das Leben Erfolg über Erfolg bescheren. Diese Erbanlagen wurden jedoch dem Prinzen Louis Ferdinand von Preußen, einem Neffen Friedrichs des Großen, zum Verhängnis, weil er sich seines leidenschaftlichen Temperaments wegen weder überholten Anschauungen beugen noch als königlicher Prinz ein inhaltloses Genießerdasein führen wollte. Dazu gab es übrigens damals — in den Jahren der Französischen Revolution und des Aufstiegs Napoleons — trotz allem Gelegenheit genug. Das an Höhe — und Tiefpunkten reiche Leben Louis Ferdinands, dieses erklärten FrauenMeblings, der Offizier und Politiker, Musiker und Komponist, Ästhetiker und Romantiker in einem war, hat Burghard Nadolny auf Grund eines jahrelangen Studiums aller verfügbaren Quellen in der vorliegenden Biographie so eindringlich dargestellt, daß man nicht nur die glückhaften und unseligen Stunden Louis Ferdinands miterlebt, sondern darüber hinaus auch Zeuge der politischen und kriegerischen Geschehnisse wird, die am Ende des 18. und zu Beginn des 19. Jahrhunderts das Gefüge Europas erschütterten und weitgehend umgestalteten.

Hervorgehoben sei, daß Louis Ferdinand stets für ein Bündnis Preußens mit Österreich eingetreten ist, obgleich ihm diese Haltung von seinen Widersachern in Berlin sehr verübelt wurde. Prinz August Ferdinand, sein Vater, hielt ihn mit dem Taschengeld dermaßen knapp, daß er immer mehr in Schulden geriet. Dieser Verpflichtungen wegen stellte

ihn August Ferdinand eine Zeitlang unter Kuratell. Zerwürfnisse in der Familie und Hofintrigen nahm sich Louis Ferdinand so zu Herzen, daß er in Gelagen mit Freunden all das Schwere, das ihn bedrängte, zu vergessen suchte. Und dann nahm er Zuflucht zur Musik und spielte nächtelang Klavier. Von ihm stammen Quartette und Orchesterstücke, die heute noch in Konzerten aufgeführt werden. Als Komponist fand dieser preußische Prinz, der mit Goethe befreundet war, auch die Wertschätzung Beethovens.

Im Jahre 1795 wurde Louis Ferdinand — er hatte sich gegen die Teilung Polens ausgesprochen — auf Veranlassung seines Schwagers, des Fürsten Anton von RadzdwilL die polnische Königskrone angeboten; das war allerdings lediglich eine gut gemeinte Geste ohne politische Bedeutung. Im September 1804 begab sich Louis Ferdinand in Begleitung Radziwills nach Wien, dem Prinzen zu Ehren wunde ein Hofball veranstaltet. Mit Gentz und Metternich blieb er in engem Kontakt. Als sich Preußen 1806 entschloß, Napoleon Widerstand zu leisten, wurde Louis Ferdinand mit einem verantwortungsvollen Kommando betraut. Er fiel, 34 Jahre alt, am 10. Oktober in einem erbitterten Rückzugsgefecht bei Saalfeld.

„Es hat wohl wenige Lebenswege gegeben, die so viele Deutungen zulassen“, führt Napoleon unter anderem aus. „Das klassische Altertum hatte diesen preußischen Prinzen unter die Sternbilder versetzt. Die Faszination, die seine Erscheinung auf die Zeitgenossen ausübte, wirkte noch lange fort.“

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung