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Schiller-Citoyen francais

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Am 9. Mai 1805 starb in Weimar der „Bürger Frankreichs“, Friedrich von Schiller, der er „als Freund der Humanität und der Gesellschaft“ 1792 geworden war. Das Bürgerdiplom, von Danton, Roland und Claviere unterzeichnet, gelangte erst sechs Jahre später in seine Hand. „Aus dem Reich der Toten“, meinte der Dichter, da die Unterzeichner auf dem Schafott geendet hatten. Man weiß nicht, wer der Mann war, der, als am 26. August 1792 in Paris beschlossen wurde, Washington, Hamilton, Pestalozzi, Kosciusko, Klopstock und andere zu „Bürgern Frankreichs“ zu machen, den Antrag stellte, auch „le sieur Gille“ damit zu ehren.

Zweifellos haben die „Räuber“ den Dichter in Frankreich populär gemacht. Wilhelm von Wofzogen, Geschäftsträger des Herzogs von Württemberg in Paris, vermerkte 1793 in seinem Tagebuch:

„Man spielt Schillers Stück unter dem Namen Robert, chef des brigands ... es ist jedoch keine Uebersetzung, sondern vielmehr ein elender Versuch, die Grundsätze, welche im Schillerschen

Drama vorherrschen, auf die jetzige Revolution anzuwenden.“

Ernst und ahnungsvoll, voll gewichtiger Zweifel, vernahm Schiller von ihrem Ausbruch. 1795 schrieb er an Reichhardt in Berlin: „ . . . und ob ich mir habe sagen lassen, daß in Frankreich eine Revolution vorgefallen, so ist dies ungefähr das Wichtigste, was ich davon weiß.“ Gerade ihn, den Kämpfer für Freiheit und Menschenwürde, stieß das blutige Drama ab. Nur einmal, im Spätherbst 1792, sah er gespannt auf Paris, auf den Schauplatz, wo „das große Schicksal der Menschheit verhandelt wird“. Wie muß es ihn gepackt haben, der später resigniert gestand:

..... wäre tatsächlich die politische Gesetzgebung der Vernunft übertragen worden, wahre Freiheit zur Grundlage des Staatsgebäudes gemacht worden, — so wollte ich auf ewig von den Musen Abschied nehmen und dem herrlichsten aller Kunstwerke, der Monarchie der Vernunft alle meine Tätigkeit widmen.“

Er mißtraute dem vielgepriesenen Fortschritt, der soviel Anforderungen an die geistige und sittliche Kraft der Menschen stellt. Als er dann von dem Prozeß gegen den König erfuhr, entwarf er eine Verteidigungsschrift und fragte Körner, den Vater des Dichters, nach einem guten Uebersetzer:

„ .. . Vielleicht rätst Du mir ab, zu schweigen, aber ich glaube, daß man bei solchen Anlässen nicht indolent und untätig sein darf.“

Er gab sich wohl einer Illusion hin, wenn er glaubte, das Schicksal des Königs ändern zu können, aber es ist ein menschlich-schöner Zug Schillers, wenn er kraft seines Namens hier eingreifen wollte. Nach der Hinrichtung äußerte er bestürzt zu Körner:

„Ich habe wirklich eine Schrift für den König schon angefangen gehabt und da liegt sie nun noch da. Ich kann seit vierzehn Tagen keine französische Zeitung mehr lesen, so ekeln diese Schinderknechte mich an ...“

Von der Nationalversammlung hielt er nie viel, meinte er doch, es sei unmöglich, daß „von einer Gesellschaft von 600' Menschen etwas Vernünftiges beschlossen werde“. „Was ist die Mehrheit?“ fragt er im „Demetrius“. „Mehrheit ist der Unsinn! Verstand ist stets bei Wen'gen nur gewesen.“ Damit hatte Schiller endgültig mit der Revolution gebrochen, enttäuscht wie Klopstock. Nur der trotzige Hegel feierte bis an sein Lebensende alljährlich die Erstürmung der Bastille mit einer Flasche Wein. Mißmutig wandte er sich ab. Witterte er doch schon, ahnungsstark wie er war, etwas von der Sinnlosigkeit seines Dazwischentretens in einer Zeit, in der das barbirische Schlagwort die Massen zu beherrschen begann und Rausch und Gier die Gehirne vernebelten. Dennoch: geahnt hat er. wie alles kommen würde. Er sah es voraus, unbewußt, dann wieder bewußter, wie eine heranrückende feindliche Schlachtordnung, die vorerst noch der Staub des Blachfeldes verhüllt: die Heraufkunft Napoleons. Ja, wir wissen es heute aus der Autobiographie seines ehemaligen Mitschülers Friedrich von Hoven, worin dieser sagt:

„ ... Von dem französischen Freiheitswesen,für welches ich mich so sehr interessierte, warSchiller kein Freund... er hielt die französische Revolution für die natürliche Folge der schlechten französischen Regierung, der Ueppigkeit des Hofes und der Großen, der Demoralisation des französischen Volkes und für das Werk ehrgeiziger und leidenschaftlicher Menschen, welche die Lage der Dinge für ihre egoistischen Zwecke benutzten . . . Daher sei er fest überzeugt, die französische Republik werde ebenso schnell wieder aufhören wie sie entstanden sei, die republikanische Verfassung werde früher oder später in Anarchie übergehen, und das einzige Heil der Nation werde sein, da6 ein kräftiger Mann erscheine, er möge herkommen, woher er wolle, der den Sturm beschwöre, wieder Ordnung einführe und die Zügel der Regierung fest in der Hand halte, auch wenn er sich zum unumschränkten Herrn nicht nur über Frankreich, sondern auch ! von einem Teil von dem übrigen Europa machen sollte ...“

Napoleon kam, Schiller starb — er sollte die Tragödie des „kräftigen Mannes“ nicht mehr erleben ...

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