Thema: Freiheit/Abhängigkeit
Ich bin Protestantin, weil schon meine Eltern evangelisch waren. Mein Vater war zwar aus der Kirche ausgetreten, aber er fand es trotzdem schön, seine beiden Töchter taufen zu lassen. Ein schwäbischer Pfarrer hat mich dann erstmal für ein paar Jahre aus der Kirche hinauskonfirmiert. Aber eines Tages bekam ich eine unwiderstehliche Lust, mich tätig und bewusst zu meinem Herkommen in Beziehung zu setzen, und so bin ich Theologin geworden. Vieles am Protestantismus geht mir fürchterlich auf den Geist, zum Beispiel dieses obsessive Sündengerede. Oder die schlechte Angewohnheit vieler Protestanten, etwas, wovon man sich kein Bild machen soll, notorisch "Herr" zu nennen. Zuweilen kommt mir der Protestantismus vor wie eine Kollektivneurose. Da ich aber nicht der Typ zu sein scheine, der fremd geht, halte ich das Geschenk meiner Eltern in Ehren. Und ich kann inzwischen sogar in knappen Worten sagen, weshalb: weil sich in der Mitte des Ganzen zwei Worte befinden, die mir unendlich lieb sind: Freiheit und Liebe. Und eine Person, die beides in sehr origineller Weise gelebt hat: Jesus von Nazaret.
Liebe Herren Homolka, Khorchide und Schüller! Sie haben uns viel Interessantes darüber erzählt, was "das Judentum", "der Islam" und "das Christentum" meinen. Und was meinen Sie? Warum sind Sie, was Sie sind: Jude, Muslim und Katholik? Im Christentum zumindest ist das Wörtchen "Ich" ziemlich wichtig. Es steht nämlich ganz am Anfang des Glaubensbekenntnisses: "Ich glaube an Gott ..." und so weiter. Ja ich weiß: patriarchale Gelehrtheit hört das nicht so gern. Für sie ist wichtig, was im Buch steht, oder allenfalls noch, was Denker über das Ich als solches herausgefunden haben. Mich interessiert trotzdem, was Sie persönlich meinen. Und die Leserinnen und Leser der FURCHE vielleicht auch?
* Die Autorin ist Germanistin und evangelische Theologin. Sie lebt in der Ostschweiz
Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.
In Kürze startet hier der FURCHE-Navigator.
Steigen Sie ein in die Diskurse der Vergangenheit und entdecken Sie das Wesentliche für die Gegenwart. Zu jedem Artikel finden Sie weitere Beiträge, die den Blickwinkel inhaltlich erweitern und historisch vertiefen. Dafür digitalisieren wir die FURCHE zurück bis zum Gründungsjahr 1945 - wir beginnen mit dem gesamten Content der letzten 20 Jahre Entdecken Sie hier in Kürze Texte von FURCHE-Autorinnen und -Autoren wie Friedrich Heer, Thomas Bernhard, Hilde Spiel, Kardinal König, Hubert Feichtlbauer, Elfriede Jelinek oder Josef Hader!