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In der Tasche: Goethe - Hemingway

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Schade, daß Goethe mit Eckermann nicht über den literarischen Triumph der Demokratie gesprochen hatl Er wußte so viel. Ahnte er auch, daß man in unseren Tagen „den Goethe“ in der Tasche tragen würde?

Seit Oktober 1961 erscheint im Deut-ichen Taschenbuch - Verlag, München (dtv), eine fünfundvierzigbändige Taschenbuchausgabe Sämtliche (sämtliche I) Werke Goethes. Uns liegen bisher vier Normalbände zu 2.50 DM (es werden auch Großbände zu 3.60 DM herauskommen) vor, und zwar dtv 3 und dtv 4: „Gedichte“, III. und IV. Teil, ferner dtv 5: „Der Westöstliche Diwan“, und dtv 6: „Epen“. Weißer, dreifarbig beschrifteter Glanzkarton, prägnante Nachworte, vor allem aber der modernste Text nach der autoritativen 24bändigen „Großen Artemis“ von Ernst Beutler bilden die Vorzüge der neuen, von Peter Boemer und einem großen Mitarbeiterstab betreuten Ausgabe.

In „Rowohlts Klassiker“, einem ähnlich kühnen, bisher schon 100 Bände umfassenden Taschenbuchunternehmen, das einmal unter anderem den ganzen Piaton deutsch und den Shakespeare englisch und deutsch enthalten wird, sind neu erschienen: RK 72/73: Schillers Don Carlos mit den Briefen und Dokumenten, RK 84/85: Schillers Wallenstein-Trilogie, und weiter RK 98/99: Goethes Römische Elegien, Venetianische Epigramme und Italienische Reise; entbehrlich schiene hier RK 91/92/ 93: J. F. Coopers „Die Ansiedler an den Quellen des Susquehanna“; der Einzelband in dieser Reihe kostet 1.90 DM, der Doppelband 3.30 DM und der Dreifachband 4.40 DM. Den Texten und Nachworten folgen jeweils zumeist ausreichende Literaturhinweise.

Ein gleich gewaltiger Plan, hundert Meisterwerke der abendländischen Literatur, schwebt der Fischer-Bücherei mit der Sonderabteilung „Exempla Classica“ vor, die bis nahe an Band 50 gediehen ist. Auch sie bietet neben den Texten noch ein kundiges Nachwort sowie biographische und bibliographische Notizen zu erstaunlichem Preis: Einfachband 2.40 DM, Großband 3.60 DM und Dopperband 4.80 DM. Die Spannweite der Auswahl ist immens und reicht von Hero-dots „Geschichten“ (EC 36), Marlowes „Doktor Faustus“ und Ben Jonsons „Der Alchimist“ (EC 19), Rousseaus „Bekenntnissen“ (EC 21), Defoes „Die Pest zu London“ (EC 27) und Racines „Phädra“ und „Athalia“ (EC 38), über Klassik, Romantik und Realismus: Wielands „Die Abderiten“ (EC 37), Goethe-Schillers, Briefwechsel

(EC 41), Grillparzers „König Ottokars Glück und Ende“ und „Die Jüdin von Toledo“ (EC 26), Kellers „Der grüne Heinrich“ (EC 39) und Heines „Buch der Lieder“ (EC 35) bis zu den großen Russen: Turgenjew „Aufzeichnungen eines Jägers“ (EC 28) und Lesskow „Die Klerisei“ (EC 16), aber auch Hamsuns „Das letzte Kapitel“ (EC 40) und, besonders verdienstvoll, Hofmannsthals tiefgründiges Romanfragment „Andreas / Oder: Die Vereinigten“ (EC 20).

Neben diesen Klassikern wenden sowohl die Fischer-Bücherei wie die rororo-Taschenbuchausgaben der neueren Literatur uneingeschränkte Aufmerksamkeit zu (die Preise beider entsprechen, je nach Umfang, genau ihrer oben angeführten Klassiker-Preisstaffel).

Als Fischer-Bücherei Nr. 313 erschien Bruce Marshalls früher Priesterroman „Keiner kommt zu kurz“ (For everyman a Penny), die Erlebnisse eines kleinen Pariser Kaplans in diesem Jahrhundert der Kriege, Besatzungen und Resistanzen. Die Nummer 362 trägt eines der bekanntesten Griechenlandbücher Erhart Kästners, „ölberge, Weinberge“, Nr. 365 der charmante autobiographische Roman Annette Kolbs, „Die Schaukel“, Nr. 372 die teilweise schon etwas vergilbten Mark-Twain-Erzählungen „Tot oder lebendig“, Nr. 373 die gescheiten medizinischen Essays Peter Bamms, „Ex ovo“, Nr. 384 der gespenstische Pearl-Harbor-Roman James Jones', „Die Pistole“, Nr. 407 der Colette-Roman einer Katze und einer konfliktvollen menschlichen Liebe, „Eifersucht“, und Nr. 408/409 Ernest Hemingways Spanienroman „Wem die Stunde schlägt“, der fast schon den Exempla Classica zuzuzählen wäre.

In den rororo-Taschenbüchern erschien als Band 376 Cronins nicht eben bester Roman aus den Verlegerkreisen, „Das Licht“, als 383 Roda-Rodas sehr zahme „Streiche des Junkers Marius“, als 386 D. H. Lawrence von pathologischer Sexualität nicht ganz freier „Hengst von St. Mawr“, als 399/400 Sinclair Lewis' eben verfilmte bittere Satire auf die Sektenfrömmelei: „Elmer Gantry“, als 401 ein schwächerer Spoerl: „Man kann ruhig darüber sprechen“, als 435/436/437 Eduard Stuckens zählebiger Aztekenroman „Die weißen Götter“, als 438 Frank Thieß schwermütiger Roman einer frühen Liebe, „Abschied vom Paradies“, und als 439 Truman Capotes dämonische Erzählungen aus dem Zwischenreich von Magie und Wirklichkeit: „Baum der Nacht“, eines der aufregendsten und merkwürdigsten Prosadokumente der amerikanischen Gegenwart.

Sehr verdient macht sich die Herder-Bücherei (15 S pro Band) mit einem Beitrag zum Tschechow-Jahr, „Rotschilds Geige“ (Nr. 78), und einem zur Lesskow-Renaissance, „Spiel mit dem Phantom“ (Nr. 90); an Orwells „1984“ erinnert die grimmige Utopie C. S. Lewis', „Die böse Macht“ (Nr. 82).

Das Merkwürdigste an allen diesen Taschenbüchern ist wohl, daß sie nicht nur gekauft und geschenkt, sondern sogar — gelesen werden; fanatisch und in Hekatomben: wachste, regste Demokratie...

Dr. Roman Herle

Märchen der Völker

MÄRCHEN UND GESCHICHTEN AUS DEM MORGENLAND. Herausgegeben von C. N a r c i s . Mit Zeichnungen von Gunter Jiöhmer. Steingrüben-Verlag, Stuttgart. 367 Seiten. Preis 19.80 DM.

Die vorliegende Anthologie arabischer und türkischer Märchen verdankt ihr Entstehen der Sammlerleidenschaft des Herausgebers, der sie in vielen schlaflosen Nächten „erschmökert“ hat, wie er in feinem amüsanten Nachwort schreibt. Darum ist aber lein Verdienst um nichts geringer: handelt ei sich doch zum großen Teil um Märchen aus der heute nicht mehr greifbaren Sammlung „Rosenöl. Erstet und zweites Fläschchen oder j Sagen und Kunden des Morgenlandes aus : arabischen, persischen und türkischen ;

Quellen gesammelt.“ Der große österreichische Orientalist Joseph von Hammer-Purgstall hat diese Märchen im Jahre 1813 herausgegeben. Verwendet wurden außerdem: die von Herder und Liebeskind 1788 herausgegebene Sammlung „Palmblätter. Erlesene morgenländische Erzählungen“, die Schwanke des Hodscha Nas-reddin und der türkische Roman „Die vierzig Veziere oder weisen Meister“. Aus diesen Quellen hat Narciss die schönsten Erzählungen ausgewählt. Die bunte, schillernde Welt des Morgenlandes ersteht vor dem geistigen Auge des Lesers, und die Zeit, da es noch edle und gerechte Kalifen gab, erscheint im verklärten Licht des Märchens.

Es ist nicht anzunehmen, daß diese Sammlung durch eine bessere übertroffen werden könnte. Die Ausstattung des Werkes ist ein Freude für den Bücherliebhaber. Das satinierte Kunstdruckpapier, die edle Antiqua, die Illustrationen Gunter Böhmers, der vornehm in Weiß und Gold gehaltene Einband — sie machen die Lektüre des Buches nicht nur zu einem geistigen Genuß, sondern auch zu einem Fest der Augen, und darum gebührt der Dank gleichermaßen Herausgeber und Verlag.

BUDDHISTISCHE MÄRCHEN AUS DEM ALTEN INDIEN. Ausgewählt und übertragen von Else L ü d e r s. Verlag Diederichs, Düsseldorf. 407 Seiten, Preis 14.50 DM.

Die Neuauflage dieses schon vor Jahrzehnten beliebten Bandes aus der Reihe „Die Märchen der Weltliteratur“ bezeugt die stetige Nachfrage, mag es für den Europäer auch nicht das Naheliegendste sein, sich im Geist in das alte Indien zu versetzen. Und doch stehen uns diese Erzählungen näher als man glaubt. Viele von ihnen haben zu allen Zeiten in die abendländische Literatur Eingang gefunden. Mehrere Geschichten finden sich schon in der Antike bei Herodot, andere bei Lukian und Babrios. (Von letzterem waren freilich bis in die Neuzeit nur als äsopisch angesehene Fragmente bekannt, bis 1843 auf dem Athos eine umfassende Handschrift gefunden wurde.) Die christlichen Legenden, Chaucer und Ariost, um nur einige zu nennen, bezeugen das Fortwirken im Mittelalter.

Die Märchen, welche hier enthalten sind, stammen alle aus der sogenannten Dschatakasammlung, die eine buddhistische Schule unter ihre heiligen Schriften aufgenommen hat. Was dem Leser, rein äußerlich gesehen, auffällt, ist die Gliederung der Märchen in ungebunden Partien und in Verse. Davon sind die Verse viel älter und der' eigentlich Teil de Erzählung. -Sie wurden meist Buddha in den Mund gelegt, und dadurch war jede Änderung unstatthaft. (Tatsächlich sind sie noch viel älter, sie wurden nur auf die buddhistische Lehre abgestimmt und vermitteln daher ein Bild der alten, volkstümlichen Dichtung Indiens.) Die dazugehörigen Prosaerzählungen sind dagegen jüngeren Datums und überarbeitet.

In der Verquickung von alten literarischem Gut mit der metaphysischen Grundhaltung, wie sie der buddhistischen Lehre entspricht, in der Art und Weise, wie das alte Indien mit seinen Menschen und Göttern sich in diesen Erzählungen spiegelt, darin liegt wohl der Reiz, den die Märchen auf den Leser ausüben. Ein Nachwort, Anmerkungen und Erk'ärun-jen von Namen und Ausdrücken vervollständigen das seit langem geschätzte Werk.

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