Ivo Andrićs' "Das Fräulein": Die Geizige
1945 erschien "Das Fräulein" als dritter Teil der Romanreihe "Bosnische Triologie". Autor Ivo Andrić schuf damit eine ungewöhnliche Verkörperung übertriebener Sparsamkeit.
1945 erschien "Das Fräulein" als dritter Teil der Romanreihe "Bosnische Triologie". Autor Ivo Andrić schuf damit eine ungewöhnliche Verkörperung übertriebener Sparsamkeit.
Als der knapp siebzigjährige Ivo Andrić 1961 den Nobelpreis für Literatur erhielt, galt diese Auszeichnung vor allem seiner 1945 erschienenen „Bosnischen Trilogie“. Während deren beiden erste Teile „Die Brücke über die Drina“ und „Wesire und Konsuln“ hohe Anerkennung fanden und bis heute populär geblieben sind, tat man sich mit dem Abschlussband „Das Fräulein“ oft schwer. Selbst der Stockholmer Laudator Anders Österling äußerte ihm gegenüber Zurückhaltung und merkte an, dass sich Andrić einem Thema gewidmet habe, das es ihm nicht erlaube, seine großen erzählerischen Gaben in Gänze zu zeigen.
Ob diese reservierte Wertschätzung berechtigt ist, lässt sich nun an einer Neuausgabe des „Fräuleins“ überprüfen, die Edmund Schneeweis’ vielfach nachgedruckte Übersetzung von 1958 in revidierter Form vorlegt. Der (1979 von Vojtěch Jasný verfilmte) Roman erzählt die Geschichte der Rajka Radaković, des „Fräuleins“, die 1935 mit Ende vierzig an Herzversagen stirbt, als sie meint, ein Einbrecher mache sich in ihrem Belgrader Häuschen zu schaffen. Mit ihrem Tod setzt der Text ein und führt in einer raffinierten Kreisstruktur auf den letzten Seiten zur Auftaktszene zurück. Eingebettet in diesen Rahmen ist Rajkas – traurige – Lebensgeschichte, die Anfang des 20. Jahrhunderts in Sarajevo ihre entscheidende Zäsur erfährt.
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