Kirche in dramatischer Gefahr

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* Seit dem II. Vatikanum wagt die Kirche den Dialog mit der Welt. Doch ihre Leitung verabsäumt es, den Dialog auch mit dem Gottesvolk zu führen.

Die Krise der Kirche hat sich dramatisch verschärft. Irreparabler Schaden ist dem Petrusdienst zugefügt worden. Durch Fehler wie zuletzt das Entgegenkommen gegenüber der von Antisemitismus befallenen Piusbruderschaft hat ein weit über die Grenzen des Katholischen hinaus anerkanntes Symbol des Glaubens viel Achtung eingebüßt. Dass die Berufung eines offensichtlich ungeeigneten Mannes in das Bischofsamt revidiert werden musste, kann nur bei oberflächlicher Betrachtung als "Sieg" der sogenannten Basis betrachtet werden. Jene Kräfte, die Gerhard Maria Wagner dem Linzer Diözesanbischof und dem Kirchenvolk aufdrängen wollten, werden sich deswegen nun nicht eines anderen besinnen. Man hat aus den Folgen der Bischofsernennungen in der Ära nach Kardinal König nichts gelernt.

Wem die Vorgänge im öffentlichen Leben nur einigermaßen vertraut sind, erkennt die entschuldigende Behauptung, es seien bei diesen letzten Ereignissen Verfahrenspannen passiert, als durchsichtige Ausrede. Gerade weil das Kirchenoberhaupt praktisch unbegrenzte Macht und ein totales Durchgriffsrecht hat, trägt niemand außer ihm die Verantwortung - zumindest für die Auswahl seiner Berater. Sinn dieser Feststellungen soll jedoch nicht Anklage oder Schuldzuweisung sein. Es muss uns nur bewusst werden, dass weitere solche Belastungsproben das Zerbrechen der Kirche befürchten lassen!

Der nächste Konflikt kommt bestimmt, denn in der Kirche stehen heute einander zwei Richtungen gegenüber, die beide ihre Befürchtungen, ja Ängste hegen, welche den Boden für Aggressionen bereiten. Von Leserbrief- und Internetseiten aus erfolgt Dauerbeschuss auf den Gegner. Die einen sehen ewige Wahrheit und göttlichen Auftrag durch Untreue bedroht. Die anderen meinen, die mangelnde Fähigkeit zur Anpassung an die Anforderungen unserer Welt von heute dränge die Kirche heillos ins Abseits. Keine Annäherung der Standpunkte erfolgt, und das ist unbegreiflich!

Für das Wesen des Streits in der Kirche ist kaum ein Wort bezeichnender als das eines vom Vatikan geschätzten Kirchenmannes, der alle Probleme auf den mangelnden Gehorsam gegenüber dem Papst zurückführt. Schon früher meinte er in einer Polemik gegen das Kirchenvolksbegehren, der Stellvertreter Gottes sei doch kein Professor, der mit seinen Studenten zu argumentieren und diskutieren hätte. Doch liest man die Briefe des Paulus, der zuvor dem Petrus zu Recht Widerstand geleistet hatte, sind sie voll argumentierender Überzeugungskraft. Stets fand auch in der Kirche ein konfliktreicher Prozess der Wahrheitssuche statt. Pius IX. meinte, dem durch ein Verbot von selbstständigem Denken und Freiheiten ein "unfehlbares" Ende setzen zu müssen.

Das II. Vatikanum beschritt neue Wege, die Kirche anerkennt nun die Menschenrechte im Gespräch mit der Welt. Doch ihre Leitung hat bisher verabsäumt, den Dialog auch mit einem Gottesvolk zu führen, das seine Angelegenheiten selbst in die Hand zu nehmen lernte. Wenn sogar Priester, die um die Seelsorge fürchten, sich in den Vatikan geradezu hineinschwindeln müssen, um wenigstens angehört zu werden, zeigt, wie der lebensnotwendige Blutkreislauf durch uninspirierte Starre verstopft wurde. Welch tödliche Gefahr! Doch Jesus ruft zum Vertrauen auf und sendet uns den Geist. Was soll die Kirche als Gemeinschaft der Christgläubigen denn fürchten? Eintracht und Frieden wird es in ihr geben, wenn es gelingt, aufeinander zuzugehen und den verengten Blick wieder zu weiten. Heute und nicht erst morgen muss das geschehen! Ein mutiger und neuer Beginn ist also zu wagen, soll die Nachfolge Christi nicht dem Verderben und gar der Lächerlichkeit preisgegeben werden.

* Der Autor ist Mitbegründer der "Laieninitiative"

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