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Journalisten reden

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Als „tintenklecksendes Sdculum“ hat Schiller das 18. Jahrhundert bezeichnet, ein feuilletonisches Zeitalter hat man das Ende des 19. Jahrhunderts genannt. Und wo stehen wir heute? Der österreichische Rundfunk, im besonderen das österreichische Fernsehen, scheint in eine journalistische Ära eingetreten zu sein. Was die gegenseitige Durchdringung der Massenmedien betrifft, so haben anscheinend die Journalisten den Sieg davongetragen. Es ist hoch an der Zeit, die anscheinend veraltete Meinung zu revidieren, das Metier des Journalisten sei das Schreiben. Heute scheint es in erster Linie das Reden zu sein. Es vergeht keine Woche, in der sich Journalisten nicht einmal oder mehrmals vor der Fernsehkamera versammeln, um zu dem oder zu jenem ihre Meinung zu sagen. Um eines halbwegs gerechten Ausgleichs willen müßten jetzt aber bald einmal die Rundfunk- und Fernsehleute die Macht in den Zeitungen ergreifen.

Es gibt auch weniger wohlmeinende Zeitgenossen, die glauben, daß das Fernsehen dabei kein schlechtes Geschäft macht, denn was kostet schon so eine Journalistendiskussion im Verhältnis zu anderen Produktionen. Ganz zu schweigen von dem „Flankenschutz“, den man sich dadurch in den Zeitungen, sichert. Denn nur selten wird jemand mit der Feder gegen eine Institution zu Feld ziehen, die ihm ab und zu die Möglichkeit erteilt, das Wort zu ergreifen. Was das Publikum betrifft, irgendeinen Grund hat das Publikum immer, mit einer Sendung unzufrieden zu sein. Warum ihm solche Gründe vorenthalten? Also versammelten sich die Spitzen der österreichischen Journalistik, um im „Pressestudio“ die Pfundabwertung zu diskutieren. Nun können die Chefredakteure österreichischer Zeitungen, die jeder für sich eine beachtliche Kapazität darstellen, gewiß über vieles diskutieren, am vernünftigsten und interessantesten wohl über die österreichische Innenpolitik, denn da sind sie zu Hause. Vielleicht hätte man über so ein spezielles Thema wie die Pfundabwertung doch Wirtschaftsredakteure diskutieren lassen. Was ein so brillanter Geist wie Günther Nenning zur Frage der Pfundabwertung hätte sagen sollen, blieb unerfindlich. Wir haben es auch nicht erfahren. Ein Sonderfall ist dabei immer der Vorsitzende, der Chefredakteur des österreichischen Rundfunks, Alfons Dalma. Auch ihn hatte man als schreibenden Journalisten geschätzt. Wenn er spricht beweist er uns nur, daß er den schriftlichen Ausdruck der deutschen Sprache weit besser beherrscht. Außerdem gelingt es ihm sehr schwer, als Vollblut Journalist, der er ist, mit seiner persönlichen Meinung, die eine sehr spezielle Meinung ist, hinter dem Berg zu halten. Aber als Chefredakteur des Österreichischen Rundfunks und als Diskussionsleiter wird er dadurch gelegentlich in Schwierigkeiten kommen.

Zwei Tage später sahen wir wieder eine Diskussion, diesmal nicht allein unter Journalisten, aber doch unter sehr wesentlicher journalistischer Beteiligung, und zwar ging es bei diesem „Jourfix“ um die etwas bombastische Frage, ob Österreich eine kulturelle Großmacht oder eine geistige Provinz sei. Gott sei Dank führten die ausländischen Diskussionsteilnehmer von der österreichischen Nabelschau etwas weg: Wir sind weder das eine noch das andere. Wir haben viele Talente, aber wenig Talent, diese Talente zu gebrauchen.

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