Ein Jahr Kirchenmusikverlag

Das hier aufscheinende Novum besteht nicht so sehr in der Edition von Kirchenmusik durch den Verlag die nur als lange unterbrochen bezeichnet werden kann, als vielmehr in dem neuen Geist und der verlegerischen Schneid, mit denen diese Tätigkeit wieder aufgenommen wurde und nun die Ernte des ersten Jahres vorgelegt wird. Diese erfüllt, im ganzen gesehen, jahrzehntelange kirchenmusikalische Wünsche, zumindest einige brennende davon, gleichsam mit einem Schlag, insoferne sie nicht nur wirklich empfehlenswerte, liturgischen wie künstlerischen Ansprüchen Rechnung tragende Kirchenmusik alter und neuer Zeit bietet, sondern der Auswahl auch einen chorerzieherischen Gedanken zugrunde legt, der vom leicht Erhörten und unschwer Ausführbaren bis in die Spitzenregion der Moderne führt.

Die Gruppierung dieser ersten Jahresreihe beginnt mit drei Werken der alten Polyphonie:

Palestrinas Missa Regina caeli Herausgeber Hans Fink, Orlando di Lassos Missa super „La, la Maistre Pierre’ und H. L. Haßlers Missa secunda Herausgeber Ant. Dawidowicz. Ihnen sind drei Werke neuer Stilgattungen gegenübergestellt: Josef Lechthalers Schwanerigesang der Missa Rosa mystica, Hans Bauernfeinds Familienmesse und Ernst Tittels Missa Mariana. Vermittelnd und verbindend steht zwischen beiden Gruppen eine Trias leichterer Kompositionen, die auch kleine Chöre in den modernen Bereich einzubeziehen geeignet ist: Vinzenz Gollers Missa Anno Santo, R. A. Klafskys Messe zu Ehren des heiligen Vinzenz von Paul und das Requiem von E. Tittel. Auch eine andere Dreiteilung wirkt sich aus: die in a-cappella-, in Orgel- und Bläsermessen, während die traditionellen Streicher fehlen.

Als mutigster Kontrapunkt zu dieser Messenreihe aber ist die Herausgabe von Proprien zu werten, denen sich erstmalig ein Verlag im großen Stil öffnet, das Proprium damit aus seiner bisher recht stiefmütterlichen Stellung innerhalb der Kirchenmusik befreiend, was für die musikalische Neugestaltung des Gottesdienstes von grundlegender Bedeutung sein dürfte, Hermann Kronsteiner Christkönigsfest, Josef Kronsteiner Allerheiligen und Pfingstsonntag, V. Goller Weihnachten und E. Tittel Erscheinung des Herrn sind die Komponisten dieser ersten Proprienreihe. — Durch diverse Kompositionen, darunter Anton Heillers „Ave Maria’ und Hermann Kronsteiners „Deutsches Antiphonar’, ergänzt, gibt die Sammlung ein bewegtes Bild sakralmusikalischen Lebens unserer Zeit im kompositorischen Sektor, das wesentlich abgerundet erscheint durch die Zeitschrift „Musica orans’, die den neuen Geist auch durch das Wort ins Land trägt und ihr Daseinsrecht ebenfalls im ersten Bestandsjahr beweisen konnte, sowie durch Ausstrahlung auf verwandte Gebiete, vor allem auf das Volkslied und den Schulgesang, denen in der „Chormappe’ Schlichtes, aber Wertvolles geboten wird.

Mit dieser Editionsliste ist der Beweis erbracht, daß ein unbedingt empfehlenswertes Kirchenmusikprogramm auch ein unbedingt verlegerisches sein kann, selbst wenn es oder weil es wie dieses die lebenden Zeitgenossen in besonderer Weise berücksichtigt. Daß es ein vollständiges sei, kann zunächst nicht behauptet, nach dem Ernst und der Sorgfalt zu schließen, aber für die kommenden Jahre erwartet werden. Die Ausstattung der Ausgaben ist schlechthin friedensmäßig und die Preise überschreiten in keinem Fall die Kaufkraft der Interessenten. Das Unternehmen verdient in seinen kirchenmusikalischen Bestrebungen und Leistungen volle Unterstützung aller im Bereich dieser hohen Kunst Verantwortlichen und insbesondere der Kirchenchöre.