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Handbuch der Weltgeschichte

19451960198020002020

Herausgegeben von Alexander Rands. Verlag Otto Walter, Olten und Freiburg im Breisgau. Erster Band 1954. XXVII Seiten. 1160 Spalten

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Herausgegeben von Alexander Rands. Verlag Otto Walter, Olten und Freiburg im Breisgau. Erster Band 1954. XXVII Seiten. 1160 Spalten

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Dem kühnen Unternehmen, das Alexander von R’ a n d a, Sproß einer ursprünglich tschechischen und später in der Bukowina begüterten, eingedeutschten, doch mit rumänischer Kultur eng verbundenen Familie, geplant und mit der sehr anerkennenswerten Hilfe des Schweizer Verlags Otto Walter verwirklicht hat, kommt ähnliche Bedeutung zu wie einst der Helmoltschen Weltgeschichte. Gleich dieser ist das vorliegende, auf zwei umfängliche Bände berechnete Handbuch der hingehenden Energie eines Mannes zu danken, der keinen Rang in der Hochschulhierarchie einnimmt, den man sogar, ungeachtet seiner historischen Schulung, mitunter als Dilettanten betrachtet . und dessen recht persönliche Ideen über einzelne Sondergebiete der Geschichte ebenso umstreitbar wie umstritten sind. Und doch beansprucht dieses Werk einen wichtigen Platz, kann es als bahnbrechend gelten. Es versucht nämlich, mit der bloßen chronologischen Anordnung zu brechen und, in noch höherem Grade als das Helmolt einerseits, die vielbändigen außerdeutschen Sammelvorhaben getan haben, die Einteilung in Kulturkreise zu beachten. Der mächtige Schatten Gräbners und des jüngst dahingeschiedenen Wilhelm Schmidt SVD. schwebt über diesem Buch. Es bewegt sich anderseits auf den Spuren des genialen Franzosen René Grousset. Und so ist eine wahre Universalgeschichte zustande gekommen, die den neuesten Stand der Forschung berücksichtigt, manchmal sogar, das sei ohne Bosheit bemerkt, den hypothetischen zukünftigen Stand unseres Wissens: denn Randa hat sich nicht gescheut, Männer wie Thor Heyerdahl und Marcel Homet als Mitarbeiter zu gewinnen, deren, gewagte Theorien über Kulturzusammenhänge zwischen Amerika und den ändern Kontinenten zwar höchst anregend, doch auch anfechtbar sind,

Zu erörtern wäre das Grundprinzip, die Darstellung in zahlreiche Monographien aufzusplittern, deren jede einem anderen Autor anvertraut wurde; in manchen Fällen hat allerdings derselbe Verfasser mehrere Kapitel beigesteuert. 87 Mi’arbeiter führt das dem ersten Band vorausgeschickte Verzeichnis an. Derlei Atomisierung hat den Vorteil, daß die jeweilige Materie von einem genauen Soodcrkennef behandelt wird, dagegen bringt dies Ueberschneidun gen und eine unvermeidbare Ungleichförmigkeit mit sich. Es ist aber als besondere Leistung des Herausgebers zu rühmen, daß dennoch die Einheitlichkeit im wesentlichen gewahrt erscheint. Freilich sind d i e Beiträge am besten geraten, die ein weiteres Gebiet umfassen und von einem überragenden Meister des Gesamtfaches herrühren.

Da sind zunächst die großartigen, gedankenreichen und den Ertrag eines schöpferischen Gelehrtenlebens bergenden Abschnitte der nicht mehr unter uns weilenden P. Wilhelm Schmidt „Leben und

Wirken ältester Menschheit" und René Grousset über die Kultur der Steppenvölker und über die Steppenreiche. Der französische Universalhistoriker hat zudem die Einführung zum ersten Band beschert, auf sieben Spalten eine Art durchgeistigten Liebig- Extrakt aus der Weltgeschichte bis an die Schwelle der Neuzeit. In jeder Hinsicht ragen ferher hervor: des bedeutenden Religionsforschers Karl K e r é n y i tiefe Darlegungen über antiken Glauben der Hellenen und der Römer, Olof G i g o n s Geschichte der Gesellschaft, der Kultur und der politischen Entwicklung des klassischen Altertums, Bernhard Wyss’ Kapitel über deti Vorderen Orient — Mesopotamien, Aegypten, Kleinasien und Iran — im Altertum, Constantin Regameys in drei Stücke gegliederte Darstellung Indiens, Graf Gerolf C o u- denhove-Calergis, des Halbjapaners Synthese der Geschichte Nippons, Herbert Frankes und Hans S t a n g e s Bewältigung des ungeheueren chinesischen Stoffes, Franz Taeschners Ueber blick über den muselmanisch gewordenen Iran und über die türkischen Staaten. Bewegen wir uns bereits in diesem Kapitel auf weniger begangenem Terrain, so empfinden wir das dieses Sammelwerk besonders Auszeichnende in den Beiträgen mittleren Umfangs, die gewöhnlich abliegenden Themen gewidmet sind und die zumeist von Kapazitäten originell erörtert werden. Heinrich Felix Schmid und Bertold Spuler beschäftigen sich mit den Ostkirchen, Georges Marçais mit Nordafrika in islamischer Zeit, Vinigi Grottanelli mit Alt-Afrika südlich des Sudans, Annemarie Schwee g er-Hefel mit dem Schwarzen Mittelafrika. Georg H ö 11 k e r mit Alt-Amerika (leider zu gedrängt). Nicht minder wertvoll ist die von ausgezeichneten Fachleuten gebotene Erörterung aller entscheidenden Fragen der Vorgeschichte und der Frühgeschichte. Neben Wilhelm Schmidt finden wir Gebhard Frei, Karl Keller -Tarnuzzer, Franz H a n è a r, Richard P i 11 i o n i, Karl Wülvonseder, Alfons Rosenberg, Pia Laviosa Zambotti, Raymond V a u f r e y, Karl Jettms r, Bernhard Stillfried, Dominik Josef Wölf ei. Ueher die von der Naturwissenschaft zur Geschichte hinüberleitenden einführenden Abhandlungen von Giuseppe A r m e 11 i n i (Astronomisches Weltbild), P i e r o Leonardi (Erdgeschichte), Alberto Carlo Blanc (Auftreten des Menschen), Rainer Syhubert- Soldern (Urzeugung, Deszendenztheorie, Menschwerdung) .kann nur mit größter Zustimmung gesprochen werden. Wie im zehnten Band des Großen Herder bestätigt sich auch hier, daß von christlicher Warte aus eine völlig unbefangene Auseinandersetzung mit den heikelsten, brennendsten Problemen der Anfänge des Lehens und der Menschheit möglich ist.

Dies bietet uns den Anlaß auf die feste weltanschauliche Fundierung des in einem katholischen

Verlag erscheinenden Standardwerks hinzuweisen. Während die gleichzeitig herauskommenden Weltgeschichten der Verlage Francke und Bruckmann eher eine evangelische Grundhaltung postulieren, ist der Geist dieses von uns angezeigten Handbuches katholisch, ohne daß seine Gesinnung irgendwie störend wirkte. Im Gegenteil, die liebevolle Achtung, die den anderen christlichen Bekennnissen und allen Weltreligionen bezeigt wird, wurzelt in einer sittlich begründeten Duldsamkeit, die sich dennoch vor schwächlicher Verleugnung des eigenen Glaubens hütet. Wie schön sind nicht die Würdigungen des Islams, der buddhistischen Oekumene!

Wir dürfen das mutige und stolze Unterfangen eines zäh. um seine Konzeption ringenden Außenseiters in jeder Hinsicht als gelungen betrachten. Es behauptet sich ebenbürtig, eigenständig — in manchen Beiträgen hinter den entsprechenden Kapiteln der mit ihm den Wettbewerb aufnehmenden Rivalinnen, anderwärts aber diesen voraus —, als ein Kompendium, in dem man nicht nur Rat und reichste Belehrung findet, sondern das man auch mit vielem Genuß lesen wird.

Derlei Pauschallob soll natürlich nicht besagen, daß wir durchweg die im „Handbuch" verfochtenen Ansichten billigen. Es ist unausbleiblich, daß zum Beispiel die Kapitel über jene weiten Gebiete, auf denen die Hypothese den Mangel, an gesicherten

Quellen ergänzen muß, in vielem angeföchten werden können. Das gilt zum Beispiel für die gesamte Prähistorie und für die älteren Perioden des Altertums so gut wie für die durch verwickelte Gedankenarbeit zu erschließenden Zusammenhänge, von denen kein Buch, kein Heldenlied berichtet. Und daß die Chronologie des Vorderen Orients gleich der Alt- Chinas und Alt-Japans unsicher ist, weiß man zur Genüge. Hätten wir Raum zur Einzelkritik, dann erhöben wir zum Beispiel mancherlei Einwendungen gegen die in den Beiträgen so bedeutender Forscher wie Paul Diels (Slawen) und Julius Pokorny (Indogermanenfrage) vertretenen Ansichten. Vielleicht wäre es irgendwie möglich gewesen, dort, wo es sich um Meinungen eines Verfassers oder einer Schule dreht, auf abweichende Anschauungen kurz hinzuweisen. Der Laie und der Student, mitunter sogar der auf dem Einzelgebiet unzuständige Fachgelehrte, geraten sonst in Gefahr, das als feststehend hinzunehmen, was doch nur den Gegenstand wissenschaftlicher Dispute bildet. Von diesem Vorbehalt abgesehen, vermöchten wjr an Randas Sammelwerk nichts Grundsätzliches zu beanstanden. Wir wünschen ihm die .Verbreitung und den durchschlagenden Erfolg, die ihm gebühren. Die musterhafte Ausstattung des Bandes, seine schönen Illustrationen und die ausgezeichneten Karten, samt sehr nützlichen Stammtafeln werden dazu das Ihre mithelfen.

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