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Das neue Protestantengesetz
Das „Bundesgesetz über äußere Rechtsverhältnisse der Evangelischen Kirche in Österreich”, kurz Protestantengesetz genannt, wurde am 6. Juli vom Nationalrat, am 12. Juli vom Bundesrat einstimmig verabschiedet. Der Sprecher der ÖVP sagte, daß es „unbestritten zu den bedeutendsten Gesetzen der zweiten Republik gehöre”. Nach dem Toleranzedikt Josefs II. von 1781, das den Akatho- liken die private Religionsausübung gestattete, und dem Protestantenpatent Franz Josefs von 1861, das den Evangelischen die individuelle bürgerliche Gleichberechtigung, die öffentliche Religionsausübung und die Gründung einer Evangelischen Kirche A. u. H. B. zugestand, bringt erst dieses Gesetz mit seinen 24 Paragraphen der evangelischen Kirche die langersehnte und geforderte volle Freiheit und die Gleichberechtigung mit den anderen gesetzlich anerkannten Kirchen.
Der Weg war weit
Schon 1919 war die Novellierung des Protestantenpatentes fällig gewesen. In mühevollen Verhandlungen unter dem Unterrichtsminister Pern- ter gedieh sie 1934 bis 1938, als Hitlers Einmarsch den Abschluß verhinderte. Die NS-Gesetzgebung strich die Staatsbeihilfe und andere Rechte, stellte die kirchlichen Finanzen unter strengste Kontrolle und entstaatlichte den Oberkirchenrat. Das Ziel war klar: die Kirche sollte ins Ghetto verwiesen vjferden und absterben. Das Gegenteil geschah. Die seit der Toleranzzeit geübte Selbsthilfe und Selbstverwaltung bewährte sich aufs neue. Auch während der NS-Zeit hat die evangelische Kirche, vielleicht als einzige Institution, ihre Presbyterien, Pfarrer, Superintendenten, Oberkirchenratspräsident und Bischof selbst gewählt. 1945 wußte niemand recht, welche staatskirchenrechtlichen Grundlagen noch galten. Vom Protestantenpatent waren vielleicht vier Paragraphen unangefochten. Die NS-Gesetze waren nicht aufgehoben, aber mit dem wachsenden Vertrauen zur Kirche wurde ihre Handhabung lockerer.
Dieser nahezu gesetzlose Zustand war im letzten Jahrzehnt eigentlich sehr schön. Das Vertrauen des Staates gewährte der Kirche weitgehend Freiheit, und eben darum dachte niemand daran, diese Freiheit zu mißbrauchen. In dieser Atmosphäre begannen 1949 die Verhandlungen zwischen Staat und Kirche. Sie galten nicht mehr der Novellierung des alten Patentes, sondern einem neuen Gesetz. Das Gesetz ist durch das großzügige moderne Konzept des Ministers Dr. Drimmel geprägt, der sich sechs Jahre lang in einem ungewöhnlichen Maße persönlich dafür einsetzte. An der Ausarbeitung ist maßgebend der evangelische Referent Äer Kultusabteilung, Dr. Günter Sagburg, beteiligt. Wertvolle Anregungen und entscheidende Hilfe sind dem Vizekanzler Dr. Pittermann zu danken. Ich bedauere persönlich, daß das Gesetz nicht mehr mit dem Namen Julius Raab verbunden ist, da er mehr als einmal fördernd eingegriffen hat. Die verschiedenen Minister und ihr Stab haben in den nicht immer leichten Verhandlungen erfolgreich zusammengearbeitet. Die Parteien bewiesen bei den Verhandlungen Verständnis und Bereitschaft, der evangelischen Kirche alle Freiheiten und Rechte zu gewähren.
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