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Eine späte Revanche

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Zum Unterschied von so vielen Blättern der freien Welt und anderen Stimmen war die „Furche" in bezug auf die Entwicklung in der CSSR niemals optimistisch. Der große tschechische Historiker und Politiker Frantisek Palacky hatte vor mehr als hundert Jahren bereits vorausgesagt, daß es für sein Volk nur zwei Alternativen geben würde, wenn einmal das alte Donaureich zerbrechen würde: Böhmen würde entweder an Deutschland oder an Rußland fallen.

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Zum Unterschied von so vielen Blättern der freien Welt und anderen Stimmen war die „Furche" in bezug auf die Entwicklung in der CSSR niemals optimistisch. Der große tschechische Historiker und Politiker Frantisek Palacky hatte vor mehr als hundert Jahren bereits vorausgesagt, daß es für sein Volk nur zwei Alternativen geben würde, wenn einmal das alte Donaureich zerbrechen würde: Böhmen würde entweder an Deutschland oder an Rußland fallen.

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Im Herbst 1938 nach der Kapitulation der Westmächte in München vor Hitler war die erste Alternative eingetreiten. Schon im Herbst 1938 war es klar, daß Hitler sich nicht mit den Erfolgen von „München“‘ zufriedengeben werde. Die Studenten der deutschen Prager Hochschulen wurden angewiesen, wieder an ihre alten Studienstätten zurückzukehren. In der ersten Hälfte des März 1939 kam an diese Studenten der Geheimauftrag, Zwischen- . fälle zu provozieren, damit Hitler wegen der „unerhörten Verfolgung der Volksdeutschen“ eingreifen könne. Die Studenten verbuchten diese Zwischenfälle zu provozieren, aber sie gelangen nicht, da die Tschechen nicht darauf eingingen. Aber es war klar, daß Hitler seih Ziel erreichen wollte. Der damalige Präsident Dr. Hacha fuhr nach Berlin, um das Ärgste abzuwenden. Er konnte das „Ärgste“ abwenden, indem er die nationale Existenz des tschechischen Volkes rettete. Ansonst mußte er eine vollkommene Kapitulation unterschreiben.

Im heurigen Jahr rollte die zweite Variante, die Palacky prophezeit hatte, ab. Es war klar, daß es zu einem neuen „München1“ kommen würde und nach diesem München zu einer weiteren endgültigen Kapitulation.

Die Kapitulation ist da.

Warum, so wird man sich fragen, bestanden die Russen darauf? Es wurde schon in diesem Blatt darauf hingewiesen, daß einmal die Russen niemals zugeben werden, daß innerhalb ihres Bereiches die Idee der Freiheit sich ausbreite. Trotz aller Kapitulationen hatte Rußland die Überzeugung, daß dieser „Bazillus“ nicht ausgelöscht sei und sie gezwungen sind, ihn vollkommen zu zertreten.

Es wurde in diesen Blättern auch darauf hingewiesen, daß Russen immer russische Politik machen, gleichgültig, ob sie unter einem weißen, roten oder grünen Zaren leben. Rußland hat immer eine Flanke seines Reiohes pazifiziert, wenn an der anderen Seite dlhm eine Gefahr drohte. Die Besetzung der Tschechoslowakei besagt, daß die Russen unbedingt ihre Westflanke pazifizieren wollen, da scheinbar die Ostflanke, das heißt Mao, immer gefährlicher wird.

Wahrscheinlich glauben die Russen an die baldige Beendigung des Vietnam-Krieges. Dann wird der Druck von Mao auf sie noch stärker werden. Für diesen Augenblick müssen sie an ihrer Westgrenze Ruhe haben.

Seitdem Rußland den Sieg de Gaulles in Frankreich zuließ, ist es evident, daß eine unausgesprochene „Entente cordiale“ zwischen USA und Rußland besteht. Rußland wird sich nicht in das Interessengebiet der Staaten einmengen, und die USA nahmen zu den Ereignissen in der Tschechoslowakei in den letzten Monaten keine offizielle Stellung. So kann die freie Welt noch an den Frieden glauben.

Alles, was jetzt in der Moldau-Republik geschah, wäre niemals eingetreten, hätte die Welt die Warnungen Palackys nicht überhört, nämlich die Union der elf kleinen Nationen ja nicht zu zerstören. 50 Jahre nach dem Untergang des Donaureiches erhält es eine späte Bestätigung.

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