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Er ahnte das böse Ende

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ROMMEL UND DIE INVASION. Von Friedrich Rüge. K.-F.-Köhler-Verlag, Stuttgart 1959.

Preis 18.50 DM

Seit der auch heute noch in Stil, Anlage und politischer Klarsicht unübertroffenen Arbeit von General Dr. Hans Speidel zum Thema Rommel und die Invasion erscheint nun von deutscher Seite aus der Feder des gegenwärtigen Inspekteurs der Bundesmarine, Vizeadmiral Friedrich Rüge, ein Erinne-rungsband, der teilweise auf Aufzeichnungen des Kriegstagebuches der Heeresgruppe B (Rommel), den Tagesberichten Rommels und den persönlichen Aufzeichnungen des Verfassers beruht. Der Vorteil des Werkes liegt in der Unmittelbarkeit des Erlebens, denn Rüge war während der ganzen Zeit von November 1945 bis zur Verwundung des Feldmarschalls als Marinesachverständiger in dessen Stab und konnte auch in täglichen Gesprächen die Ansichten Rommels sowohl auf dem militärischen Sektor als auch — wenn auch sehr vereinzelt — im politischen Bereich erfahren und aufzeichnen. Was das Buch bringt, ist keine wissenschaftliche Geschichte der Invasion und der vorangegangenen Monate, denn dazu hätte man schon eine Reihe anderer vorliegender Werke verwerten müssen, wie etwa das ausgezeichnete Generalstabswerk der Armee-Luftwaffe der USA oder die Arbeit von Prof. Dr. Albert Norman (ehemals Major und Stabsoffizier des VII. US-Korps an der Normandiefront, 1952). Der Auftrag, den Hitler dem ihm schon seit der Afrikaniederlage etwas suspekten Rommel im November 1943 erteilt hatte, war außerordentlich schwierig, nämlich die Küste Westeuropas, soweit sie von der Deutschen Wehrmacht besetzt war, zur Abwehr gegen eine eventuelle Landung bereitzumachen. Was dabei an technischen und strategischen Improvisationen getan werden konnte, hat Rommel sicherlich versucht. Wie schwach aber in Wirklichkeit die deutsche Abwehrstellung war, kommt für jeden technisch versierten und militärisch einigermaßen gebildeten Leser gerade in diesem Buch deutlich zum Vorschein. Minenfelder, Beutebatterien abenteuerlichster Herkunft, die bei der Besetzung der Rest-Tschechoslowakei erbeuteten Hindernisse, genannt Tschechen-Igel, ja sogar Minenpfähle aus Holz mit aufgesetzten Beutegranaten sollten angesichts der täglich wachsenden Luftüberlegenheit und der im Ernstfall absoluten Überlegenheit der Marinestreitkräfte des Gegners eine Landung verhindern. Es kann nur aus der von Hitler rigoros geübten Geheimhaltung der Auswertung militärischer Erfahrungen auf anderen Kriegsschauplätzen erklärt werden, daß 1943 und 1944 der wichtigste militärische Stab, die Heeresgruppe B unter Rommel, keinerlei Erfahrungsberichte über die geglückten Landungsunternehmungen sowohl des japanischen Verbündeten als auch der amerikanischen Streitkräfte im Fernen Osten übermittelt bekam. Ferner tritt deutlich hervor, daß man von Anfang an über die im Ernstfall einzuhaltende Methode der Abwehr offenkundlich von oberster Stelle Unklarheiten liebte. Die Panzergruppe West unterstand Rommel überhaupt nicht, und nur allmählich wurden nach der Landung die wirklich schlagkräftigen Verbände herangeführt. Daß noch persönliche Gegensätze zu Feldmarschall Kluge und nicht zuletzt die Unmöglichkeit des Operierens unter der auch von Rommel schon in Afrika erkannten Luftüberlegenheit die Katastrophe vollendeten, zeigt sich deutlich aus den Aufzeichnungen Ruges, und man kommt somit zu dem Schluß, daß Rommel trotz aller Bemühungen eigentlich — so wie alle höheren Befehlshaber — auf einem verlorenen Posten stand; im luni 1944 war nur noch durch eine politische Lösung das Kriegsende herbeizuführen, und hierzu sind einige Gedanken, die sich gewissermaßen nur zwischen den Zeilen finden, bemerkenswert. So am 11. Juni 1944:

„Die Stärke unserer Position liegt zur Zeit noch im Gegensatz zwischen Amerikanern und Russen. Die Amerikaner seien so stark, daß die Russen keinerlei Aussicht hätten, sich gegen sie durchzusetzen. Hitler wolle aber nicht verhandeln — das ginge mit ihm auch nicht —, er wolle bis zum letzten Haus kämpfen. Er habe mehrfach geäußert, er wüßte auch nicht, wie es werden sollte, er sei aber der festen Überzeugung, daß es gut ausgehen würde. Rommel sagte, auf die Nation komme es an, nicht auf den einzelneu. Gerechtigkeit sei die Grundlage des Staates (!). Oben sei es bei uns leider nicht sauber, die Abschlachtungen (!) seien eine schwere Schuld, die Kriegführung sei dilettantisch. Wir selbst seien unseres Lebens nicht sicher. Es würden den obersten militärischen Führern schwere Vorwürfe gemacht, nachdem man ihnen vorher in fede Kleinigkeit hineingeredet habe. Er, Rommel, habe bewußt den Kampf immer sauber geführt. Hitler habe 1942 Ribbentrop durch Neurath ersetzen wollen und geglaubt, daß damit alles ift Ordnung käme.“ (S. 17S.)

Und fünf Tage vor dem 20. Juli 1944 ein Versuch, die düstere Zukunft zu klären:

„Dann wurde das Gespräch ernster. Es beschäftigte sich mit dem Leben, wie es sein würde, wenn plätzlich frieden oder wenigstens Waffenstillstand wäre, sowie mit dem Unsinn, den Krieg weiterzuführen, bei dem doch nichts mehr herauskäme. Rommel sprach wieder von den Arbeitern und Bauern, deren Lebenshaltung sich nicht verschlechtern dürfe. Dann meinte er, es sei besser, als westliches Dominium weiterzuleben, als die Heimat völlig vernichten zu lassen. Er sprach dann von der noch vorhandenen Stärke der politischen Position zwischen den Gegnern. Immer wieder stellte er die Frage: .Wann kommt ein Entschluß?' “ (S. 219.)

Soviel wir wissen, hatte sich Rommel den Männern des 20. Juli zur Verfügung gestellt. Die

STAATSFÜHRUNG UND PSYCHOPATHIE. Von

Univ.-Prof. Dr. Erwin S t r a n s k y. Verlag Urban und Schwarzenberg, Wien. 16 Seiten. Preis 14.40 S.

Im Jahre 1919 hatte der langjährige Assistent Wagner-Jaureggs, Prof. Stratisky, als erster die Kühnheit, in einer Studie die Forderung zu erheben, es mögen „Persönlichkeiten, die im Staats- und öffentlichen Leben eine wie immer wesentliche Funktion bekleiden oder hierzu ausersehen seien, Begutachtungen auch von fachpathopsychologischen Gesichtspunkten her unterzogen werden, ehe sie solch eine wichtige Stellung antreten bzw. ehe man sie eine solche fortsetzen läßt“. Diese Idee, deren unterlassene Realisierung sich dann 1933 bis 1945 furchtbar rächen sollte, hatte damals vorübergehend auch außerhalb Österreichs Beachtung gefunden; in Polen wurde sie aufgegriffen. Freilich auch hier, ohne wirksam zu werden. Nach 1933 beschäftigten sich Engländer und Amerikaner, wahrscheinlich unter dem Eindruck der Diktatorenära, in den ärztlichen Diskussionen ernsthaft mit dieser Idee, ohne zu wissen, daß sie aus der Werkstatt des Nestors der österreichischen Psychiater in die Welt gegangen war. Ein österreichisches Schicksal! In dem vorliegenden Heftchen geht nun der seit 60 Jahren ärztlich Wirkende noch einmal darauf ein, zeigt, welche Gefahren sich ergeben, wenn man geistig nicht vollwertigen, abnormen oder charakterlich abgearteten Personen Macht in die Hände gibt. In zehn Punkten gegliedert, zeigt der Gelehrte konkrete Lösungsmöglichkeiten auf, wie diese Idee wirksam werden kann. So hat er in dieser Schrift den Fragenkomplex auf breiterer Basis zur Diskussion gestellt. Mögen viele diese Schrift lesen. An leidvollen Erfahrungen ist die Menschheit ja überreich.

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