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HANS SPEIDEL HISTORIKER IM WAFFENROCK

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1956, österreichischer Staatsbesuch in der Bundesrepublik Deutschland. Zwischen zwei Zügen aus der Virginia knurrt Julius Raab den Bundeswehrgeneral an: „Daß ihr kein zweites 1866 macht!“ Der General gibt schlagfertig zurück: „Immerhin standen wir damals im gleichen Lager!“ Wir — das waren die Süddeutschen, die 1866 mit den kaiserlichen Weißröcken zusammen kämpften und fielen. Und

der General hieß Hans Speidel.

Zehn Jahre später: der General, seit 1963 im Ruhestand, spricht über Einladung des „Instituts für Zeitgeschichte“ in einem Hörsaal der Wiener Universität über „Ludwig Beck und Erwin Rommel — Militärische Führung und Aufstand des Gewissens“. Der Württemberger Speidel, dessen Heimat einstmals den österreichischen Vorlanden der Habsburger angehörte, hat tiefe und ehrlich empfundene Sympathien für Österreichs große historische und militärische Geschichte, für ein Land, zu dessen besten Offizieren ihn seit den dreißiger Jahren herzliche Freundschaft verbunden hat.

Frontoffizier des ersten Weltkrieges bei Verdun, Studien und Dienst in der Reichswehr, Eintritt in den Generalstab und bald Verwendung in höchsten militärdiplomatischen Posten, das war die erste Wegstrecke Dr. Speidels bis zum Kriegsausbruch 1939. Der Waffenstillstand mit Frankreich bringt ihn, der schon während des historischen Besuchs von General Beck im Jahre 1937 in der französischen Hauptstadt für eine Versöhnung der beiden Völker eingetreten war, auf den so

wichtigen Posten des Chefs des Generalstabs beim Militärbefehlshaber in Paris. Was General Dr. Speidel hier in der Abwehr bewußter Verschärfung der Lage und Diffamierung des geschlagenen Gegners angesichts der zunehmenden Verhärtung der Situation im Stillen leistete, geKört heute der Geschichte an. Zum zweiten Male nach schweren Frühjahrsschlachten im Osten des Jahres 1944 führt ihn der Weg wieder nach Paris, und im Brennpunkt der fürchterlichen Ereignisse des Hochsommers 1944 wird Oberst Dr. Speidel als Chef des Generalstabs der Heeresgruppe B bei Feldmarschall Rommel geschichtlich Handelnder und Erleidender. Wohl konnte er noch im letzten Moment die Zerstörung von Paris abwehren, ehe in der Folge des 20. Juli 1944 monatelange Haft und das drohende Todesurteil diese Soldatenlaufbahn scheinbar beendeten. Nach der Befreiung durch die Truppen des Generals Bėthouart hoffte Dr. Speidel, der 1925 in Tübingen mit Auszeichnungen den Doktorhut erworben hatte, sich ganz der wissenschaftlichen Arbeit widmen zu können, bis er wieder, in verantwortungsvollste militärische Position berufen, zum dritten

Male in Paris — bis 1963 — erfolgreich tätig war.

Österreich gehört, wie könnte es bei einem Vorderösterreicher anders sein, seit jeher das Interesse oder vielmehr die besondere Sympathie des Generals: als profunder Kenner der österreichischen Geschichte bewundert er die große übernationale militärische Tradition des alten Habsburger reiches; dem verewigten Feldmarschalleutnant Alfred Jansa, dem letzten Chef des Generalstabs der bewaffneten Macht Österreichs vor 1938, war General Speidel seit Jansas Tätigkeit als Militarattachė in Berlin besonders verbunden.

Der Historiker Speidel ist Mitglied des Lehrkörpers der Universität Tübingen und wissenschaftlicher Beirat des Instituts für Zeitgeschichte in München sowie Präsident der Stiftung „Wissenschaft und Politik“. Von seinen zahlreichen historischen Arbeiten gehört das in viele Sprachen übersetzte Werk „Invasion 1944" sowie die von ihm herausgegebenen Studien des Generalobersten Ludwig Beck zum festen Bestand der Darstellungen und Quellen zur neuesten Geschichte.

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