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Geheimdokumente uber die Pax-Bewegung

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Als Vorwand der Polemiken gegen die „Informations Catholiques Internationales“ und ihre Direktoren diente ihren Gegnern eine mehrere Jahre zurückliegende Reportage der ICI über die „Pax“-Bewegung in Polen, in der — ohne etwa eine Parteinahme für „Pax“ zu ergreifen — versäumt worden war, zu sagen, daß es sich um eine von der kommunistischen Partei bezahlte Einrichtung handelte. Dies wird von ICI damit erklärt, daß zum Zeitpunkt der Reportage, 1961, klares und eindeutiges Beweismaterial über „Pax“' noch nicht vorgelegen ist. Erst das Geheimdokument, das Kardinal Wyszynski mit dem Datum 6. Juni 1963 über das Staatssekretariat in Rom an die Bischöfe Frankreichs richtete, gibt Aufschluß über den vornehmlich politischen und gegen die Interessen der Kirche ge-•tochteteSi Charakter dieser Bewegung. Das umfangreiche Dokument des Kardinals Wyszynski, das — fraglos gegen den Willen des Verfassers — im Frühjahr 1964 in Frankreich von verschiedenen Organen veröffentlicht wurde, zitiert auf der letzten Seite zweimal die Zeitschrift „Informations Catholiques Internationales“ in einer so wenig geschickten Art, daß es den Gegenspielern der ICI, die sich gleichzeitig gegen die überragende Mehrheit der katholischen Presse Frankreichs stellten, nicht allzu schwerfiel, die Worte des polnischen Kardinals in dem Sinne zu interpretieren, als betrachte er die ICI als Freunde und Agenten der „Pax“-Bewegung.

Ein inzwischen erfolgter Schriftwechsel zwischen Kardinal Wyszynski und dem Direktor der ICI hat die Sachlage weitgehend ge-

klärt. Darüber hinaus hat Papst Paul VI. den Gestaltern der Studientage der ICI in Lyon — Hourdin, Dubois-Dumee und Folliet — auf telegraphischem Wege seinen apostolischen Segen erteilt. Damit dürfte wohl der letzte Zweifel der höchsten kirchlichen Autorität gegenüber ICI und der Mehrheit der katholischen Presse Frankreichs aus der Welt geschafft sein.

Nach den Zwischenfällen des Vorjahrs ist es inzwischen ruhiger um die ICI geworden. Freilich haben Hourdin und Dubois-Dumee zwecks Vermeidung weiterer Manifestationen seit Monaten darauf verzichtet, in der Öffentlichkeit das Wort zu ergreifen. Damit sind aber die Polemiken keineswegs verstummt, sondern haben sich nur verlagert: Sie richten sich ^unmiehr direkt gegen die Bischöfe, wozu ihnen die Konzilsbeschlüsse — soweit sie als „pro-gressistisch“ gewertet werden — den entscheidenden Vorwand bieten. Mochte der Kampf der Rechtsradikalen und Erzkonservativen, der einem Komplex nach einer auf außerkirchlichem Feld erlittenen Niederlage erwachsen ist, bisher wie ein „Kampf gegen Windmühlen“ erschienen sein, so beginnt die Auseinandersetzung durch die ungeschminkte Attacke der hohen Geistlichkeit und der Kircheninstitutionen einen ernsteren Charakter anzunehmen. Dubois-Dumee hat uns im Gespräch selbst eingeräumt, daß heute — im Gegensatz zu den zutiefst bedauerlichen, aber in ihren Auswirkungen nicht gefährlichen Unruhefaktoren der Periode vor der Konkretisierung der Konzilsbeschlüsse — eine auch nur annähernde zahlenmäßige Schätzung des Widerstandes unmöglich geworden ist. Zu den Elementen „Kolonial-Nationalis-mus“, Antikommunismus und verschwommener Mystizismus ist jetzt eine echte Unruhe derjenigen hinzugetreten, die durch neue Konzeptionen und neue Formen ausgelöst worden ist. Jose de Broucker, Chefredakteur der „Informations Catholiques Internationales“, schrieb in einer magistralen Abhandlung, daß man durchaus Verständnis dafür haben müsse, wenn sich innerhalb der Kirche Stimmen erhöben, um die Gefühle derjenigen auszudrücken, die sich in ihren Gewohnheiten und Sicherheiten durch den doppelten Einbruch der Kirche in die Welt und der Welt in die Kirche bedroht fühlten. Gleichzeitig wendet sich Broucker aber mit Entschiedenheit gegen die Unruhestifter, die nicht den klärenden und fruchtbaren Dialog suchten, sondern mit dem Mittel des Pamphlets und einer neuartigen „Inquisition“ weniger die Gefühle der inneren Unruhe ausdrückten als vielmehr darnach strebten, die inneren Konflikte auszunutzen oder sie gar bewußt zu provozieren.

Man würde die Dinge wohl etwas simplifizieren, wollte man alle inneren Spannungen innerhalb des französischen Katholizismus auf das Konto der „Ultras“ buchen, aber es steht außer Frage, daß sie die Agitation an sich gerissen haben und sich als „theologische Volkstribunen“ gebärden. Welcher Mittel sie sich dabei bedienen, offenbarte kürzlich das Pfeifkonzert, das gelegentlich des Auftretens des Dominikaners Pere Congar in Nimes angestimmt wurde. Ohne Rücksicht auf die Anwesenheit des Bischofs von Car-cassonne wurde der bekannte Redner und Kommentator des Schemas XIII daran gehindert, das Wort zu ergreifen und als „Kommunist“ verleumdet. Nicht minder schwerwiegend sind einige literarische Erscheinungen, die 1964 viel Staub in der französischen Öffentlichkeit aufgewirbelt haben. An erster Stelle stehen die Bücher von Roger Besus, „Paris — Le Monde“, Alexis Curvers, „Pie XII le pape outrage“, und Michel de Saint Pierre, „Les Nouveaux Pretres“. Ausnahmslos alle drei Publikationen — auch das Plädoyer für Papst Pius XII. als Antwort auf die Beschuldigungen Rolf Hochhuths — stellen eine Mischung polemischer Verzerrungen, psychologischer Verallgemeinerungen und auf Effekt abgestellter Karikaturen dar. Doch darüber soll in einer späteren Abhandlung gesprochen und eine Analyse versucht werden.

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