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Schüsse in der Nacht

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Am Dienstag, den 10. März, wurde von der Wiener Landesregierung das Schienenstraßen- Parkverbot, das am 15. März ablaufen sollte, verlängert. Die Gründe für diese Maßnahme sind bekannt: Ursprünglich wollte man die Schienenstraßen für die Schneereinigung freimachen (die ja gerade in diesem Winter kaum einmal notwendig geworden ist), dann bemerkte man, daß auch der Verkehr „flüssiger” wurde und beschloß, an dieser Maßnahme festzuhalten. Ueber die Nebenfolgen dieser Neuerung kamen uns zahlreiche Leserbriefe zu, von denen wir zwei auszugsweise veröffentlichen:

„Die zuständigen Stellen machen sich scheinbar keine Gedanken darüber, daß dadurch in den engen Seitenstraßen der Hauptverkehrsadern im besonderen für die Bewohner der unteren Stockwerke Verhältnisse geschaffen werden, die dem dauernden Aufenthalt in einer Großgarage nicht unähnlich sind. Während der warmen Jahreszeit wird also die Gestank- und Lärmbelästigung durch die an- und abfahrenden Kraftfahrzeuge für die Bewohner dieser Häuserzüge eine ganz intensive sein, sofern sie die Fenster nicht dauernd geschlossen halten wollen. Die durch das reichliche Eindringen schädlicher Abgase in die Wohnungen bewirkte erhöhte gesundheitliche Gefährdung und die nervliche Belastung durch die beträchtliche Lärmentwicklung sind ein Hohn auf die Berichte über Bestrebungen zur Vermeidung der Luftverunreinigung und zur Herabsetzung der Lärmplage in der Großstadt. Offenbar genügen die bei dieser Gelegenheit gehaltenen Reden ohne Taten vollkommen. Leben und Gesundheit der Menschen wird ohne weiteres einer gepriesenen ,Verkehrsßüssigkeit’ zuliebe hintangestellt. Muß schon alles dem Götzen ,Auto’ geopfert werden?” (Robert P„ Wien VI.)

Und die Fürsorgerin A. M. (Wien XIV.) schreibt: „Tausende von Autos sausen Tag und Nacht über die Wientalstraße (und andere Wiener Hauptautostraßen), stundenlang in ununterbrochener Folge, vorbei an unseren Wohn- und Schlafräumen. Die Verkehrsspitzen fallen in die Zeit unserer „Erholung”, daher gibt es für uns keine einzige dienstfreie Stunde ohne das furchtbare, durch die Resonanz an den hohen Hauswänden verstärkte Dröhnen, das erst nach ein Uhr nachts für kurze Zeit verstummt. — Dazu das Allerschlimmste: die Verwendung der kurzen Seitengassen als öffentliche, von jedermann jederzeit einschränkungslos benützbare Parkplätze. Unter unseren Schlafzimmerfenstern stehen in der vier Häuser langen Gasse nachts 30 bis 40 Fahrzeuge; zwischen 5 Uhr nachmittags und 1 Uhr nachts fliegen etwa hundertmal die Autotüren zu. Wie durch Schüsse werden wir jede Nacht mehrmals jäh aufgeschreckt und haben nie die Möglichkeit, vor Mitternacht zu schlafen. Die Wohnung ist längst kein Heim mehr, sondern nur noch Garderobe und nächtliche Folterkammer.”

Man sieht daraus, in welchem Teufelskreis wir uns mit den Verkehrs- und Lärmproblemen bewegen. Und man stellt wieder einmal fest, daß es unterlassen wurde, gleichzeitig mit der neuen Verfügung Gegenmaßnahmen zu treffen. Die Bewohner der engen Seitenstraßen sind tatsächlich in eine schwierige Lage geraten. Denn die dort parkenden Autofahrer benehmen sich leider zum Großteil keineswegs als Gäste, die auf die Anwohner Rücksicht zu nehmen hätten. Da läßt man minutenlang die Motoren laufen, da werden bei Tag und Nacht Freunde aus ihren Wohnungen mit Hupsignal herausgeholt — und da wird rücksichtslos mit den Autotüren geknallt.

Hierzu schreibt die österreichische Kraftfahrerzeitung „AT” (Autotouring), daß „Prof. Bruckmayer Messungen an einem Fenster des Wiener allgemeinen Krankenhauses durchgeführt habe und feststellte, daß innerhalb von 18 Stunden des Tages Lärm in der Stärke von 70 bis 100 Phon vorhanden war. Selbst bei Nacht in der Zeit von 1 bis 4 Uhr morgens, ging dieser Wert selten unter 60 Phon zurück… Es sei falsch, wenn man glaubt, den Lärm in der gegenwärtigen Intensität einfach als notwendiges Uebel hinnehmen zu müssen. - Die Schweiz mit ihrer Liga zur Lärmbekämpfung und auch deutsche Institutionen haben schon erfolgreiche Arbeit auf diesem Gebiet geleistet.”

Auch wir meinen, daß man nicht kapitulieren darf. Nur muß man eben das Problem wirklich von A bis Z durchdenken und sich nicht scheuen, ins Detail gehende Maßnahmen zu treffen, für deren Durchführung und Befolgung die Polizei zu sorgen hat. Diese wären, speziell was die nun auch stärker in Mitleidenschaft gezogenen Seitenstraßen betrifft: Strafen für Uebertretung des Hupverbotes, für unnötiges Laufenlassen der Motoren und für rücksichtsloses Türenzuschlagen, das sich zu einer wahren Plage entwickelt.

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