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Weniger natürlich, bitte!

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Die Auslandsübertragungen der Festspielveranstaltungen in diesem Sommer sind gesichert. Der Konflikt zwischen Rundfunkleitung und der die Musiker und Chöre vertretenden Gewerkschaft für Kunst und freie Berufe wurde beigelegt. Es geschah, wie wir mit Freude feststellen dürfen, im Sinne der in unserer Spalte am 17. 5. „Musik d fond perdu“ vorgeschlagenen Lösung: die handesregierungen von Wien, Salzburg und Vorarlberg haben zusammengesteuert, um die Differenz auszugleichen, welche zwischen dem von der Gewerkschaft verlangten, Betrag und dem Limit besteht, über weiches die Rundfunkleitung erklärt, nicht hinausgehen zu können. Die Gewerkschaft hat sich übrigens mit der Hälfte des ursprünglich verlangten Betrages begnügt. Markgraf Bacher hingegen blieb hart. Dr. Kreisky spielte Vermittler zu den Landesregierungen.

Unterdessen hat es die Affäre Heinz Conrads gegeben — nicht gerade geeignet, ein Vorstellungsbild von Fairneß und Unparteilichkeit des Rundfunks zu erwek-ken. In der Sendung der Rundfunkleitung ,J>ostfach 7000“ wurde Heinz Conrads und sein wöchentliches Unterhaltungsprogramm mittels Vorlesung einer Auswahl negativer Zuschauer-briefe auf das rüdeste „angeschossen“. Eine solche Vorgangsweise ist einer öffentlichen Einrichtung, wie es der Rundfunk ist, unwürdig. Dies ist festzustellen, auch wenn man, wie ich, kein besonderer Freund der Conrads-Sendungen ist (zu dem Insult kam es gerade nach der verdienstlichen Sendung über Ralph Be-natzky). Was hier zutage trat, war der üble Mief und die Intrige einer Provinzquetsche. Wenn die Rundfunkleitung Conrads nicht mehr auftreten lassen will, dann steht das durchaus in ihrer Macht. Sie braucht sich dazu nicht hinter einer selektierten Volkesstimme zu verstecken.

Bei vielen der Diskussionen im Fernsehen kommt meistens weit weniger zustande, als durch eine wohlüberlegt gefaßte Maschin-schreibseite pro Teilnehmer ausgesagt werden könnte. Dem war jedoch nicht so im letzten „Jour fixe“ des Dr. Kraus bei der Diskussion von Verlags- und Buchhandelsexperten über Paperbacks. Was die Leute vorbrachten. hatte nicht nur Hand und Fuß, sondern war neu, informativ und so aktuell, wie man es bei der Behandlung von Literatur nicht zu hören gewohnt ist. Weniger erfreulich war das Bio-interview mit Rudolf Bayer. Dichter sollten sich mit der Veröffentlichung ihrer Arbeiten begnügen und auf diejenige ihrer Person verzichten, wenn sie diese nicht anders als in einem Gewand von Arroganz, Manieriertheit und Zy-nik präsentieren können. „Zeitgeschehen“ brachte zwei ausländische und als sehtr kritisch vorgewarnte Reportagen über Wien. Wie üblich — und wahrscheinlich unvermeidlich — waren beide Beiträge bruchstückhaft und subjektiv sowohl im Positiven wie im Negativen. Wir hier könnten mehr Ärgeres, aber auch Besseres über uns aussagen. Warum tun wifs bloß nicht?

Nicht gerade zuständig für liturgische Angelegenheiten, würde ich dennoch von der Übertragung von Messen durchs Fernsehen — wie dies am Pfingstsonntag geschah — abraten. Die Übertragung kam aus Frankreich und war, wie das bei den Franzosen üblich ist, gänzlich „uninszeniert“, rationalistisch und nüchtern. Was somit verblieb, war der banale äußere Vorgang, um nichts eindrucksvoller oder gar mystischer als irgendeine andere öffentliche Begebenheit. Und das sollte es doch wohl nicht sein? Bei den Übertragungen der Messe durch den Hörfunk bleibt eben, weil sie nur hörbar ist, etwas vom Mysterium erhalten.

Anders war's bei der Übertragung der „Missa solemnis“. Obwohl, oder vielleicht weil es nur ein Musikwerk ist (deren optischer Übermittlung ich ansonsten abhold bin), wurde uns damit ein großes Erlebnis geboten. Der Fernseher hatte diesmal vermutlich viel mehr von der Aufführung als der Zuhörer in der Oper. Die Nahaufnahmen von Leonard Bernstein ließen uns sehen, wie dieser große Dirigent einem Tan-talus gleich das gewaltige Werk trug und auf jeden Mitwirkenden mit jeder Geste übertrug. So wurden wir zu Zeugen der Wandlung, die ein Kunstwerk zuweilen an den gleichgültigen Handwerkern, welche Musiker zuweilen sind, bewirken kann. So wurden wir selbst vor diesem nüchternen und technischen Ding, das der Fernsehapparat ist, mitverwandelt. Ansager und Sprecher werden gebeten, die reichsdeutschen Betonungen von Silben zu unterlassen. Also nicht Bundesv o rstand, sondern B u ndesvorstand. Ist ja auch logischer. Zu ihrer Information: unsere süddeutsche Aussprache ist fast immer die logischere, weil ältere' und dem Ursprung der Wörter näher liegende als die norddeutsche. Übrigens heißt es auch nicht, wie unlängst bei Fräulein Kaiser, Ronn acher, sondern R o nacher.

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