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Wer ist die „KUL“?

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An der westlichen Peripherie Lublins, unweit der Kreuzung der nach dem nordwestlichen Warschau und dem südwestlichen Krakau führenden Ausfallstraßen, steht man vor einem langgezogenen Bau. Die einstöckige Nordseite, an der Hauptstraße gelegen, macht den Eindruck einer Kaserne. Vom Fußgängersteig, der von der Straße durch eine gepflegte Hecke abgegrenzt wird, steigt man einige Steinstufen hinauf auf eine niedrige Böschung, die ihren Abschluß in einer zweiten Hecke findet, und man gelangt zu einem Rundbogentor, über dessen oberem Rand steht: KATOLICKI UN1WERSYTET LUBELSKI. Man durchschreitet das Tor und gelangt in einen überraschend schönen Innenhof, der von zweistöckigen Gebäuden umfaßt wird. Das ist also die „KUL“ (gebräuchliche Abkürzung), über deren Existenz die westliche Welt mit Recht erstaunt ist, denn die KUL ist die einzige katholische Universität, die im Ostblock liegt und noch arbeiten darf. Bewunderung verdient dieses tapfeTe Institut, dessen Absolventen die Bischofssitze Polens innehaben, Pfarren leiten, Lehrstühle bekleiden, im Kulturleben tätig sind, dessen zahlreiche wissenschaftlichen Publikationen sich in der Fachwelt einen Platz gesichert haben. Man kann aber auch besorgt sein angesichts der Tatsache, daß dieses Institut zeitlebens um sein Lebensrecht gekämpft hat und heute wieder kämpft.

Noch unter Österreich ...

Am 27. Juli 1918 tagte der polnische Episkopat unter dem Vorsitz des apostolischen Visitators Achille Ratti, des späteren Papstes Pius XI. Auf der Tagesordnung stand der Plan des polnischen Priesters Idzi Rad-ziszewski, die Petersburger Römisch-Katholische Geistliche Akademie nach Lublin zu verlegen und als katholische Universität zu eröffnen. Radziszewski wurde im Jahre 1914 Rektor dieser Akademie und betreute in Petersburg einen Kreis polnischer Intelligenz. Die politische Entwicklung in Rußland ließ ein Ende der Geistlichen Akademie voraussehen, anderseits galt es, die Situation im neu erstandenen Polen auszunützen und einen dem katholischen Polen entsprechenden Einfluß auf das polnische Kultur- und Geistesleben auszuüben. So entstand die Idee, im Herzen Polens, in Lublin, eine katholische Universität zu gründen. Im Februar 191S bildete sich ein Organisationskomitee unter der Leitung des Präsidenten Karol Jaroszynski und des Vizepräsidenten Idzi Radziszewski. Unter der Leitung von Emil Szeliga-Szeligowski begann in Petersburg die Aufbauarbeit an der zukünftigen Universitätsbibliothek. Als im Juli 1918 die Geistliche Akademie ihr letztes akademisches Jahr beendet hatte, begab sich Radziszewski nach Polen, wo er der Bischofskonferenz den Gründungsplan einer polnischen katholischen Universität „unter dem Schutz des Heiligsten Herzens Jesu und der

Losung Deo et Patriae“ vorschlug. Die Konferenz approbierte den Plan unter Vorbehalt des Einverständnisses des Apostolischen Stuhles. Sie verpflichtete sich, zum Unterhalt beizutragen und ernannte eine Kommission für die Gründung und Organisation unter der Leitung von Radziszewski. Im September erteilte die Regierung die Genehmigung zur Errichtung einer privaten Universität. Die österreichische Be-satzungsmacht war mit der Räumung des Geistlichen Seminars einverstanden, somit wurde für den Anfang der notwendige Schulraum gewonnen. Der Erzbischof von Mohylew, Edward Ropp, übergab als Vorsteher der Petersburger Akademie deren Rechte und Privilegien der neuen Lubliner Hochschule. Am 8. Dezember konstituierte sich der erste akademische Senat. Rektor war Idzi Radziszewski, Vizerektor Konstanty Chylinski. Am 9. Dezember begann das erste akademische Jahr mit 350 Hörern und Hörerinnen.

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