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Zwischen den Sitzungen

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Die ersten „Tage van Lainz“ beginnen bereits in der Erinnerung zu verblassen, während die Fortsetzung dieser Session bevorsteht und die Arbeiten für die zweite und dritte schon anlaufen. Über Inhalt und Ablauf dieser dreieinhalb Tage wurde viel von den unmittelbar Beteiligten berichtet — konnte es genügen angesichts der Überfülle von Problemen und Aspekten, die dort zutage getreten sind? Hätte nicht noch viel mehr erzählt, erklärt, diskutiert werden müssen in den Wochen seither? Hätte sich nicht ein Strom der Information von den 340 Synodalen bis in die letzten Zellen der Kirche ergießen müssen? So sei — zwischen den Sitzungen und mit Blick auf die nächste — auch dem Beobachter, dem Schlachtenbummler gestattet, seine Randbemerkungen zu notieren. Was fiel ihm am ersten, was am stärksten auf?

Am ersten vielleicht der Vergleich mit anderen demokratischen Gremien, die weniger erfreuliche Anblicke bieten als dieses erste Wiener Kirchenparlament. Wo gab es sonst schon eine Delegiertenversammlung mit mehr als 300 Personen, die, gestützt auf die Vota ihrer Wähler oder Organisationen, so intensiv — und so ausdauernd verhandelten? Jeder dieser 340 Synodalen ist auch sonst schon im Beruf restlos ausgelastet — ob es der Landpfarrer aus dem nördlichen Niederösterreich oder der Generalvikar der Diözese ist, ob der Ministerialrat oder der Verlagsinhaber, die Studentin im Prüfungs-stadium oder der stellvertretende Chefredakteur einer großen Tageszeitung. Aber trotzdem hatten sie wochenlang in Ausschüssen und Regionalkonferenzen mitgearbeitet, hatten im kleinen Kreis die Formulierungen austariert — und hielten nun dreimal zwölf Stunden quasi ohne Pause durch, bis sie nicht mehr sitzen konnten. Ohne einen Groschen Diäten.

Am stärksten aber fiel wohl auf, wie sehr diese drei Tage die Klischees von „Konservativen“ und „Progressiven“ über den Haufen warfen. Natürlich gab es verschiedene Meinungen — es wäre traurig gewesen, hätte es sie nicht gegeben. Natürlich zeigten sich im allgemeinen die jüngeren Synodalen zu weitergehenden Änderungen bereit als die älteren. Natürlich fanden sich Freunde und Vertreter gleicher Meinungen zur Aussprache, zur Formulierung gemeinsamer Anträge zusammen. Immer wieder zeigte sich doch, wie sehr im Grunde genommen nur methodische Fragen zwischen den Antagonisten standen, wenn sie einmal den Meinungsverschiedenheiten auf den Grund gingen.

Was ist man doch von ähnlichen Tagungen und Konferenzen gewohnt, mit Schlagworten, mit Leerlauf, mit Pharasen gelangweilt zu werden? Nichts davon in Lainz. Wohl zeigte sich die Schwierigkeit, im Plenum noch ändern zu wollen, was im Arbeitskreis vorbereitet worden war. Aber wenn etwa bei der Vorlage über die regionale Gliederung der Erzdiözese die Anträge sich auf „Soll“-oder „Kann“'-Alternativen beschränkten — bewies das nicht die gute Arbeit, die vorher geleistet worden war?

Die erste Phase ist vorbei, sie findet nun in den ersten Maitagen ihre Fortsetzung, um die festgelegte Tagesordnung abschließen zu können, bevor im nächsten Jahr die zweite Session neue Probleme bringt. Die 340 Teilnehmer am „Drei-Tage-Rennen“ konnten zunächst erschöpft Luft holen — zu Ende ist ihre Arbeit, erledigt ist ihre Aufgabe noch lange nicht. Nun gilt es, von der höchsten Ebene nach unten die Ergebnisse dieser Tage weiterzugeben, die Menschen zu informieren, deren Interesse geweckt ist und die bereit sind, den gewiesenen Wegen zu folgen. Und nicht nur über die faktisehen Beschlüsse zu informieren, sondern auch über den Geist, über die Atmosphäre, die diese Beschlüsse ermöglicht haben.

Sie sind vielleicht noch wichtiger als die Frage, ob man übergroße Stadt-pfarren teilen soll oder kann. Vor allem gilt es, diesen Geist, diese Atmosphäre zu pflegen, zu retten davor, wieder im kleinlichen Streit des Alltags zu verfliegen. Es wäre schade, wenn der „Geist von Lainz“ nicht über die Mauern des Exerzitienhauses hinausreichte. Er könnte so wohltuend auch auf das außer-kirchliche Leben unseres Landes abfärben.

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